368 Belgien. (März 18. -286.)
18. März. Der Senat lehnt die Wiedereinführung der Todes-
strafe ab.
18.—24. März. (Arbeiteraufstand.) Eine von Lütticher
Anarchisten mit den beschäftigungslosen Arbeitern der Stadt, ver-
stärkt durch solche aus Jemappe-lez-Licge und Seraing zum Ge-
dächtnis der Pariser Kommune veranstaltete Versammlung führt zu
ernsten Ruhestörungen.
Nachdem die Arbeiter unter Vorantragen einer roten Fahne mehrere
Hauptstraßen durchzogen, hält auf dem Lambertplatze ein Redner folgende
Ansprache: „Ihr habt nun die reichsten Straßen der Stadt durchzogen, ihr
habt die Magazine gesehen, die von Kostbarkeiten strotzen. Alle diese Reich-
tümer habt ihr erzeugt mit eurem Schweiß, mit eurer Arbeit! Und was
habt ihr davon? Ihr seid nackt und hungrig! Ihr Alle seit Feiglinge!“
Hierauf stürzt sich die Menge auf die Läden und Kaffeehäuser, verwüstet und
plündert dieselben, ohne von der völlig überraschten Polizei gehindert zu
werden. Erst um Mitternacht vermag die Polizei mit Unterstützung der auf-
gebotenen Bürgerwehr die Ruhestörungen nach mehreren Zusammenstößen,
bei welchen viele Polizisten und Bürgerwehrleute durch Steinwürfe und
Revolverschüsse verwundet werden, zu unterdrücken. 50 Aufrührer werden
verhaftet.
Die in Lüttich unterdrückte Bewegung bricht am 21. aufs neue in
Seraing aus, wo die Arbeiter aus zahlreichen Fabrikorten der Umgegend eine
Versammlung mit der Tagesordnung: Der Boden soll allen gehören; warum
sind wir Sklaven? veranstalten. Obgleich starke Militärabteilungen in der
Provinz Lüttich, wohin sich der Kriegsminister selbst begibt, zusammenge-
zogen sind und in Seraing die Gendarmerie verstärkt ist, werden Truppen
und Gendarmen mit Revolverschüssen und Steinwürfen angegriffen, nachdem
nachts die Gasleitung unterbrochen worden ist. Nur mit Mühe wird nach
zahlreichen Verhaftungen und Verwundungen die Ruhe hergestellt.
Die Bewegung dehnt sich allmählich von zugereisten, nament-
lich Genter Sozialisten angefacht, weiter aus; in den folgenden Tagen
finden in Tilleur und Huy Ruhestörungen statt. Die Arbeitseinstel-
lung auf den Kohlengruben und Hüttenwerken des Distrikts Lüttich
ist eine allgemeine, doch kommen ernstere Aufläufe nicht mehr vor.
26. März. (Arbeiterbewegung.) Eine in Brüssel ver-
anstaltete Arbeiterversammlung „zur Festigung des Einverständnisses
zwischen allen Arbeitern“, bei welcher Ruhestörungen geplant scheinen,
verläuft dank den energischen Vorsichtsmaßregeln der Behörden trotz
großer Aufregung in den Massen ziemlich ruhig. In der Nacht
wird folgender Maueranschlag an vielen Straßenecken angeklebt:
Wenn wir unsere kleinen Wochenschulden bezahlt haben, was bleibt
uns? Nichts! Und unsere Weiber und Kinder gehen zerlumpt und barfuß.
Wir verkommen in engen, ungesunden Höhlen, in die kein Sonnenstrahl dringt.
Ein Mittel bleibt uns, diesem elenden Zustande ein Ende zu machen. Wir
haben an den Schaufenstern der Magazine, prunkhaft ausgelegt, die Gegen-
stände gesehen, die wir brauchen, deren Erwerb aber unser geringer Lohn
uns nicht gestattet. Genossen! Nehmen wir sie! Vereinigen wir uns Samstag