374 elsien. (Oktober 11.— November 9.)
findet eine von mehr als 8000 Personen aus ganz Belgien veran-
staltete Kundgebung zu Ehren Ronvaux' statt.
Die Vertreter der beiden liberalen Parteien, der Progressisten und
Doktrinären, erklären angesichts der klerikalen Ubergriffe hinfort alle Zwie-
tracht fallen lassen und einmütig den Kampf gegen den Ultramontanismus
durchfechten zu wollen. Ronvaux wird hierauf von allen liberalen Partet=
führern einstimmig als Kandidat für den erledigten Deputiertensitz der Stodt
Brüssel empfohlen.
11. Oktober. Feierliche Einweihung der neubegründeten „VLlä-
mischen Akademie“ in Brüssel durch den Minister der schönen
Künste Moreau d'Andoye. Derselbe wird dabei von einen Teile
des Publikums, ebenso beim Verlassen des Hauses, mit Zischen
empfangen.
28. Oktober. Die Brüsseler Ersatzwahl fällt zu Gunsten des
von den vereinigten Liberalen aufgestellten Kandidaten Jules Guillery
(früheren Kammerpräsidenten) aus.
Die infolge der Absetzung Ronvaux' (vgl. Oktober 4.) zu stande ge-
kommene Verschmelzung der beiden liberalen Parteien war durch die Er-
klärung des als gemeinsamer Kandidat aufgestellten Ronvaux, er werde für
die Einführung des allgemeinen Stimmrechts eintreten, fast wieder gesprengt
worden. Da aber die Progressisten Ronvaux fallen zu lassen beschlossen und
dieser hierauf selbst auf seine Kandidatur verzichtet, so gelingt die Bildung
einer einzigen großen Partei der Liberalen.
31. Oktober. In Charleroi wird eine große Arbeiterkund-
gebung zu Gunsten der Amnestie der wegen der Unruhen im März
Verurteilten und des allgemeinen Stimmrechts abgehalten. Dieselbe
verläuft ruhig und ohne daß die Polizei Anlaß zum Einschreiten
erhält. 12000 Männer, Frauen und Kinder nehmen mit roten
Fahnen an dem Umzuge Teil.
9. November. Eröffnung der Kammern. Der König
verliest die Thronrede:
Dieselbe erklärt die Beziehungen zu allen Mächten als vortreffliche.
Belgien erfülle in gewissenhaftester Weise die Pflichten der Neutralität.
Nachdem die Thronrede darauf hingewiesen, daß sich die industrielle Produk-
tion Belgiens durch die Ausstellung in Antwerpen gestärkt und nicht ver-
mindert habe, und eine weitere Ausdehnung der kommerziellen Beziehungen
empfohlen wird, erinnert dieselbe an die bedauernswerten Vorgänge in Lüttich
und Charleroi. Die Regierung werde den Kammern Gesetzentwürfe über
wichtige Reformen vorlegen. Es handle sich hauptsächlich darum, die freie
Bildung von Berufsgruppen zu begünstigen und zwischen den Arbeitgebern
und Arbeitern durch die Bildung von Schieds= und Einigungsämtern, durch
die Regelung der Frauen= und Kinderarbeit, durch die Beseitigung der Miß-
bräuche bei den Lohnzahlungen, durch Erleichterung der Wohnungsverhält-
nisse, durch die Herstellung von Einrichtungen für die Wohlfahrt und Unter-
stützung der Arbeiter, sowie für Versicherungen von Altersversorgungen, durch
die Bekämpfung der Trunksucht und Unmoralität im allgemeinen und durch