Aebersicht der pelitischen Entwickelnnz des Jahres 1886. 447
hatten, war es gezwungen, seinen Schützling, Serbien zu retten.
Während hier über den Frieden verhandelt wurde, einigte sich der
Sultan mit dem Fürsten Alexander über einen Vertrag (2. Febr.),
wornach dieser vom Sultan zunächst auf fünf Jahre mit der
Aussicht auf Erneuerung zum Gouverneur von Ostrumelien er-
nannt, das Statut für Ostrumelien entsprechend modifiziert und
die bulgarischen Streitkräfte unter Umständen dem Sultan zur
Hilfeleistung verbunden sein sollten. Dieser Vertrag bedurfte der
Zustimmung der Großmächte, da Ostrumelien durch den Berliner
Kongreß unter die Kollektiv-Souveränität aller Großmächte mit
dem Sultan gestellt war, und Rußland machte seine Zustimmung
davon abhängig, daß die Klausel wegen der Waffenhilfe wegfalle,
daß in dem Abkommen nicht der Fürst Alexander persönlich, son-
dern der Fürst von Bulgarien generell nominiert werde und daß
endlich die Ernennung entweder auf Lebenszeit oder fünfjährig unter
Zustimmung der Großmächte erfolge. Die Rechnung Rußlands
dabei war offenbar die, daß, wenn es ihm gelinge, auf revolutio-
nären Wegen Alexander aus Bulgarien zu vertreiben, er damit
eo ipso auch aus Rumelien entfernt sei und daß, wenn dies auch
nicht gelinge, Rußland nach fünf Jahren bei der Erneuerung der
Ernennung für Rumelien seine Zustimmung verweigere, dadurch
die von den Bulgaren so leidenschaftlich gewünschte nationale Ein-
heit sprengen, resp. die Bulgaren darauf verweisen könne, sich durch
Wechsel in der Person ihres Fürsten diese Einheit zu erhalten.
Von der lebenslänglichen Ernennung nahm man an, daß der
Sultan sie nicht bewilligen werde, und als der Sultan endlich
diesen Ausweg vorzog, wollte Rußland nichts mehr davon wissen.
Die Großmächte, wie der Sultan bequemten sich also Rußlands
Forderung an. Wie unerträglich die Kollektiv-Souveränität aller
sieben Mächte, unter der bisher Rumelien gewesen war und die
nun indirekt auf Bulgarien ausgedehnt werden sollte, für einen
Staat sein muß, lehrt ein Zwischenfall in diesen Verhandlungen.
Die naturgemäße Folge der Vereinigung der beiden bulgarischen
Staaten war die Verlegung der Zollgrenze. Frankreich fürchtete
nun, daß in Zukunft, wenn einmal die Eisenbahnen im Innern
fertig sind, Osterreich und Deutschland daraus Vorteile ziehen
Europ. Geschichtskalender. XXVI.. Bd. 29