90 JNas beutsche Reich nad seine einelnen Glieder. (Mai 31.—Juni 2.)
Ein weiteres Reskript bestimmt, daß der Vorsitz im Minister-
rat künftig stets von dem Minister des Königl. Hauses und des
Aeußern geführt werden solle.
3I1. Mai. Die Münchner „Allgemeine Zeitung“ schreibt über
den Ministerwechsel:
Wie man weiß, hatte sich gegen seinen Vorgänger im Amte seit einer
Reihe von Jahren eine fortgesetzte Opposition seitens eines Teiles der baye-
rischen Volksvertretung erhoben; der viel angefeindete Minister ist nun von
seiner Stellung zurückgetreten, und wenn es wirklich möglich ist, die genannte
Opposition zu versöhnlicheren Gesinnungen zurückzuführen, so steht wenigstens
die Person des Frhrn. v. Lutz ihr nicht mehr als Stein des Anstoßes gegen-
über. Den Rechten der Krone und den Interessen des Landes wird der neue
Kultusminister freilich ebenso ein Schützer sein müssen, denselben ebensowenig
vergeben wollen und können, als sein Vorgänger im Amte, aber an seine
Person knüpft sich nicht von vornherein Widerstand, und da derselbe, wie
man versichert, den obwaltenden Verhältnissen gegenüber das mögliche Ent-
gegenkommen zu bethätigen geneigt sein soll, so darf man, wenn auch nicht
mit Gewißheit, doch nicht ohne alle Aussicht auf die Möglichkeit eines solchen
Erfolges erwarten, daß dem bisherigen unerträglichen Zustande die Spitze
abgebrochen wird.
Mit den beiden, im vorstehenden kurz beleuchteten Entschließungen des
Prinz-Regenten stehen in direktem Zusammenhang zwei weitere. Bisher ist
es üblich gewesen, daß der dienstälteste Minister den Vorsitz im Ministerrat
führe. An die Stelle dieser Uebung hat nun Se. Königl. Hoheit eine feste
Norm treten lassen. Fortan soll stets der Minister des Königlichen Hauses
und des Aeußern den Vorsitz im Ministerrat führen. Dieser Minister ver-
tritt Krone, Regierung und Land dem Ausland gegenüber, und es scheint
diesen Berhältnissen angemessen, wenn er auch innerhalb der Regierung die
entsprechende Stellung erhält. Die Auszeichnung wird als erstem dem
Frhrn. v. Crailsheim zu teil, welcher zugleich in inneren Angelegenheiten
wie in der Verwaltung des umfassenden Verkehrswesens sich vollauf bewährt
hat. Endlich ist der um die bayerische Finanzverwaltung so hochverdiente
Herr Minister v. Riedel, dem nach bisheriger Uebung der Vorsitz im Mi-
nisterrat zugefallen wäre, von Sr. Königl. Hoheit ebenfalls durch ein Hand-
schreiben ausgezeichnet worden, in welchem der Regent die höchst ersprießlichen
Dienste desselben anerkennt, dann ausspricht, daß „er das größte Gewicht
darauf lege, daß ihm dessen bewährte Kraft auch für die Holge erhalten
bleibe", und denselben zum Zeichen seiner Huld und Anerkennung in den
erblichen Freiherrnstand des Königreichs erhebt.
2. Juni ff. (Deutscher Innungstag.) Der Kaiser em-
pfängt eine Deputation und erklärt:
Er und seine Regierung hätten wiederholt ihre Sympathie für den
Handwerkerstand kundgegeben. Er verfolge mit Interesse die Bewegungen
des Handwerkerstandes; es sei sein innigster Wunsch, daß das Handwerk
“*rG- auf den Boden gelange, den es im vierzehnten Jahrhundert inne-
gehabt.
Der Innungstag nimmt die Forderung des Befähi-
gungsnachweises an. Ferner Petitionen an den Reichstag, be-
treffend die Ablehnung des § 72 der Vorlage über die Gewerbe-
gerichte (bezüglich der Kompetenz der Innungsschiedsgerichte), sowie