Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

Jas dentsche Reih und seine einzelnen Glieder. (Juni 7.) 97 
Domkapitel ausdrücklich in derselben Weise schlüssig gemacht, wie es hier 
bezeugt wird von dem Generalvikariat zu Paderborn. Meine Herren, die 
sogenannte Geschlossenheit ist also schon nach dem Angeführten — um von 
anderem zu schweigen — nicht vorhanden; es kann auch von der behaupteten 
zielbewußten Einheit bei Betrachtnahme des Schreibens des Papstes füglich 
kaum die Rede sein. 
Dann hat der Herr Abg. Dr. Windthorst — wie das möglich, ist 
mir eigentlich nicht ganz klar — mir gegenüber darauf hingewiesen, daß 
das Schriftstück, welches ich verlesen habe, ein ganz gleichgültiges sei. Ich 
nehme es ihm nicht übel, wenn er es für nützlich erachtet, diese Ansicht zu 
hegen und auszusprechen; es ist mir dann aber nur wunderbar, daß er auch 
beim Ministerpräsidenten nachgeforscht hat, ob ich nicht zu weit gegangen 
wäre in meiner Erklärung. Zu meiner Freude habe ich — wie ich ein- 
schalte — hier wiederholt die Erklärung vernommen, daß meine persönliche 
Wahrhaftigkeit und Wahrheitsliebe nicht angetastet worden ist. 
Der Herr Ministerpräsident hat ausdrücklich gesagt: der Kultusminister 
ist so weit gegangen, als er gehen konnte, und wenn es verlangt wird, kann 
er die Namen nennen. (Rufe im Zentrum: Thun Sie es!) Ich thue 
es nicht! 
Nun hat der Herr Abg. Dr. Windthorst heute — wie ich glaube, 
für die Persönlichkeiten, die er vielleicht ahnt, vielleicht auch kennt — Aus- 
drücke gebraucht, die sicherlich ihr Ziel mir gegenüber kaum haben können. 
Es wurde, soweit ich mir notiert habe, davon geredet, daß irgendwie ein 
unbekannter Mann der preußischen Regierung die Mitteilung gemacht habe, 
und daß das System der Spitzel auch gegen den Vatikan angewandt werde. 
Ich bitte den Herrn Abg. Dr. Windthorst, sich mit den Personen abzufinden, 
die er vermutet. Ich habe ausdrücklich in der Kommission erklärt und er- 
kläre jetzt wieder, daß der Weg, auf dem wir das dort Mitgeteilte erfahren 
haben, ein solcher ist, welchen der Heilige Vater selbst benutzt, um mit der 
preußischen Regierung in Verbindung zu treten. Daß das ein anderer Weg 
ist als der, den der Herr Abg. Dr. Windthorst benutzt, ist möglich, aber bei 
roßen Aktionen ist das eben nicht anders. Jede Regierung und ebenso der 
Heitige Vater, der auch eine hohe diplomatische Mission zu erfüllen hat, be- 
nutzt verschiedene Wege. 
Ich darf auch noch erwähnen, daß die Erklärung, die ich abgegeben 
habe und die Sie in dem Kommissionsbericht abgedruckt finden, meines Er- 
achtens eine Brücke war, die abzureißen der Herr Abg. Dr. Windthorst nicht 
nötig hatte. Er kann sagen: ich weiß davon nichts, ich bezweifle es; aber 
immer mit Emphase auszusprechen: er behaupte mit Bestimmtheit, daß es 
absolut nicht wahr sei, — das halte ich für unvorsichtig. Die Dinge haben 
sich so geschoben, daß nun diese Brücke abgebrochen werden soll und daß die 
Bischöfe schweigen, weil — soweit es na•ch Inhalt meiner vorherigen An- 
deutung aus den Poren dringt — sie doch nicht entschlossen sind, die von 
dem Abg. Windthorst vertretene Auffassung zu teilen. Ich würde es für 
nützlich erachtet haben, wenn der Herr Abg. Dr. Windthorst das Maß der 
Verantwortung, welches er heute auf sich nimmt, nicht auf sich genommen 
hätte. Ich bedauere es, denn ich glaube, seine Hoffnung, daß diese Sache 
in leichtem Fluß bleiben werde, kann doch möglicherweise eine trügerische 
sein. Ich bin zu keiner Erklärung ermächtigt, bake es auch durchaus ver- 
mieden, eine Erklärung der Staatsregierung zu extrahieren, welche die von 
dem Abg. Dr. Windthorst — wenn ich recht verstanden habe — erörterte 
Frage berührt, ob die Sperrgeldangelegenheit weiter verhandelt werden kann, 
ob sie bald wieder vorgebracht werden wird u. s. w. Wenn ich heute einen 
desfallsigen Beschluß extrahieren wollte, so würde derselbe vielleicht negativer 
Europ. Geschichtskalender. Vd. XXXNI 7
	        
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