Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

Vas beutsche Reich und seine einzelnen GClieder. (Jan. 11.—12.) 3 
Marineetats erhebt sich eine längere Debatte über die Notwendig- 
keit der Anschaffung eines neuen Avisos für den Oberbefehlshaber 
bei größeren Marineübungen, insbesondere den Kaiser. Der Titel 
wird schließlich gegen die Stimmen der Freisinnigen und der Mehr- 
heit des Zentrums bewilligt. 
11. Januar. Die „Kreuzzeitung“ erwidert auf den Artikel 
der „Polit. Nachrichten“: 
Im Anfang vorigen Monats fand in Schildesche bei Bielefeld eine 
geschlossene Versammlung der konservativen Vertrauensmänner des dortigen 
Reichstagswahlkreises statt. In derselben wurde nach langer Debatte ein- 
stimmig beschlossen, den Frhrn. v. Hammerstein als Kandidaten der konser- 
vativen Partei für die bevorstehende Reichstagswahl aufzustellen. Der Land- 
rat des Bielefelder Kreises, Hr. v. Ditfurth, hatte sich nun durch eine bisher 
unaufgeklärte Indiskretion in den Besitz eines angeblichen Berichts über 
diese durchaus vertrauliche Versammlung zu setzen gewußt und von diesem 
Bericht dem Geheimrat Dr. Hinzpeter Kenntnis gegeben. Nach diesem Be- 
richt sollte der Rechtsanwalt Klasing in Schildesche geäußert haben: Die 
„Kreuzzeitung“ sei die einzige Zeitung, welche Se. Majestät lese, und der 
Kaiser sei im Grunde seines Herzens „Hammersteinisch.“ Alsbald wurde 
denn auch in der Stadt Bielefeld das Gerücht kolportiert, der Rechtsanwalt 
Klasing habe diese Aeußerungen gethan, und mit Bezug auf dieselben habe 
der Kaiser ein Urteil gefällt, welches in dem Worte „Bubenstreich“ gipfle; 
in der „Rhein.-Westf. Ztg.“ erschien die bekannte Notiz, daß „auf eine An- 
frage des Geheimrats Dr. Hinzpeter, ob, wie von konservativer Seite be- 
hauptet worden, Se. Majestät die Kandidatur Hammerstein in Bielefeld 
billige, der Kaiser geantwortet habe, daß er über eine derartige Behauptung 
empört sei.“ Infolge dieser Vorgänge begab sich nunmehr der Rechtsanwalt 
Klasing zum Geheimrat Dr. Hinzpeter, mit dem er eine einstündige Unter- 
redung hatte. Das Resultat derselben war: 1) Die Behauptung, daß Se. 
Majestät über die Aufstellung des Frhrn. v. Hammerstein empört sei und 
dessen Kandidatur als einen „Bubenstreich“ bezeichnet habe, bezeichnete Dr. 
Hinzpeter als völlig aus der Luft gegriffen; der Kaiser habe überhaupt 
weder in Bezug auf Aeußerungen in der Vertrauensmänner-Versammlung 
noch sonst die Bezeichnung „Bubenstreich“ oder eine ähnliche Bezeichnung 
gebraucht. 2) Dr. Hingpeter bezeichnete die Mitteilung der „Rhein.-Westf. 
Ztg.“ über seine angebliche Anfrage beim Kaiser und die Antwort Seiner 
Majestät für durchaus unwahr und teilte mit, daß er die „Rhein.-Westf. 
Ztg.“ brieflich um Nennung des Urhebers ersucht habe, damit er sich mit 
demselben auseinandersetzen könne. 3) Dr. Hinzpeter erklärte, daß er nach 
den Erklärungen des Rechtsanwalts Klasing als festgestellt annehme und 
anerkenne, daß derselbe die ihm in den Mund gelegten Aeußerungen nicht 
gethan habe. 4) Dr. Hinzpeter versprach, die ihm von Hrn. Klasing ent- 
wickelten für die Konservativen in Bielefeld bei Aufstellung des Frhrn. v. 
Hammerstein maßgebend gewesenen durchaus loyalen Gründe bei Gelegenheit 
seiner in kürzester Frist anzutretenden Reise nach Berlin zur Kenntnis Sr. 
Majestät zu bringen. 
12. Januar. (Graf Waldersee.) Die „Nordd. Allgem. 
Zeitung“ schreibt: 
In unserer Nr. 14 hatten wir einen rückblickenden Neujahrsartikel 
der Nowoje Wremja nach der Uebersetzung der deutschen St. Petersburger 
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