Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

172 Vas denische Reih und seine einzelnen Glieder. (Dez. 4.) 
lichster Uebereinstimmung mit der Familie auf die sittliche Bildung ihrer 
Schüler einzuwirken? 
13) Welche Aenderungen empfehlen sich im Berechtigungswesen 
a. bei den auf einen neunjährigen Lehrgang angelegten Anstalten, 
b. bei den höheren Bürgerschulen 
(zu erwägen nach den Berufsarten)? 
14) Wenn in Zukunft an den höheren Bürgerschulen vermöge des 
früheren Abschlusses ihres Lehrganges die Berechtigung zum einjährigen 
Dienst früher als an anderen höheren Schulen erworben werden kann, auch 
im sonstigen Berechtigungswesen Aenderungen zu Gunsten der höheren Bürger- 
schulen eintreten, so wird das Bedürfnis nach denselben wachsen. 
Welche Maßregeln werden zur Befriedigung desselben zu ergreifen sein? 
(Verbindung höherer Bürgerschulen mit bestehenden Anstalten, Umwand- 
lung eines Teils der letzteren; staatliche oder staatlich unterstützte 
Neuerrichtung höherer Bürgerschulen). 
Minister v. Goßler eröffnet die Konferenz folgendermaßen: 
„Genehmigen Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät, daß ich inner- 
lich aus dem Herzen und im Namen aller Anwesenden unseren ehrfurchts- 
vollsten, tiefgefühltesten Dank ausspreche für die warme Teilnahme, welche 
Sie der Erziehung unserer Jugend zuwenden. 
Ew. Majestät treten auch in dieser Hinsicht in die Fußstapfen Ihrer 
erlauchten Vorfahren. Die Hohenzollern haben es allezeit als ihr Recht, 
aber auch als ihre Pflicht erachtet, unmittelbar bestimmend in die Ent- 
wickelung und Erziehung der Jugend einzugreifen. Schon Ihr erlauchter 
Vorfahr Johann Georg erließ im Jahre 1573 die bekannte Visitations- 
und Konsistorialordnung, welche auf Jahrhunderte hinaus die Geschicke der 
brandenburgischen Schule bestimmte. Am Schlusse seines thatenreichen 
Lebens erließ Kurfürst Friedrich Wilhelm der Große die bekannte Schul- 
ordnung von Brandenburg, und zwar auf lutherischer Grundlage. Sein 
Enkel Friedrich Wilhelm I. erließ bereits im ersten Jahre seiner segens- 
reichen Regierung die Kabinets= und Schulordnung, welche bis in dieses 
Jahrhundert hinein das Fundament des Unterrichtswesens bildete. Uner- 
müdlich hat er bis zum Schluß seines reichen Lebens über den Schulen ge- 
waltet, und was er auf dem Gebiet der Volksschule gethan, ist ja bekannt- 
lich heute noch in der Provinz Preußen geltendes Recht. Friedrich der 
Große trat in seiner Instruktion für die lutherischen Ober-Konsisterien in die 
Fußstapfen seines Vaters. Er erließ im Jahre 1763 das berühmte General- 
Schulreglement, und was er für die höheren Schulen geplant hatte, wurde 
ein Jahr nach seinem Tode Recht in der bekannten Instruktion für das 
Ober-Schulkollegium. Damals vollzog sich zum erstenmale in Preußen allen 
Ländern vorbildlich die forgfältige Abgrenzung der Schul= und Kirchen- 
behörden auf dem Gebiete des Unterrichtswesens. Unsere ganze preußische 
Unterrichtsverwaltung und -Gesetzgebung beruht aber auf der berühmten 
Kabinets-Ordre Ew. Majestät Allerdurchlauchtigsten Urgroßvaters. Diese so 
wenig bekannte Kabinets-Ordre vom Jahre 1817 fordert in wirklich er- 
greifender Weise die ganze Nation auf, bei der Erziehung der Ingend mit- 
zuwirken. Die großen Thaten, welche Preußen unter Führung seines Königs 
vollbracht, ließen erkennen, daß die Kräfte der Nation überwiegend auf der 
geistigen Seite in den Idealen lägen, und daß nur durch eine Erneuerung 
des ganzen geistigen Inhalts des Volkes diejenige Kraft erreicht werden 
könnte, welche Preußen seine hohe aber auch gefährdete Stellung sicherte. 
Wenn damals Friedrich Wilhelm III. alle Klassen des Volkes aufrief, mit- 
zuwirken an der Erneuerung der Nation, so haben Ew. Majestät in der
	        
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