Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

174 HMa deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Dez. 4.) 
treter ihrer Staaten, sondern als Schulmänner, welche auf gewissen Gebieten 
Hervorragendes geleistet haben, hier sind. Und ich danke den Regierungen 
auch an dieser Stelle, daß sie diese ausgezeichneten Kräfte zur Verfügung 
gestellt haben. 
Was nun diese Beratungen auszeichnen soll, ist die volle Freiheit in 
der Diskussion. Es ist der dringende Wunsch der Unterrichtsverwaltung, 
von den Herren, die hier versammelt sind, Stoff und Formen als sichere 
und zuverlässige Grundlage für die weiteren Entschlüsse zu erhalten, welche 
Ew. Majestät demnächst zur Allerhöchsten Kritik unterbreitet werden. Die 
Geschäftsordnung soll volle Freiheit geben. Eine Abstimmung wird sich 
nicht vermeiden lassen; sie wird aber nicht nach Zahlen erfolgen, sondern sie 
wird erfolgen nach einzelnen Personen, so daß die Quellen der Abstimmung 
immer klar vor Augen liegen. Es ist möglich, daß eine zweite Lesung in 
einzelnen Fällen eintreten muß, wo ein Ausgleich bei der ersten Lesung nicht 
erreicht wird. Darüber behalte ich mir weitere Entschließungen vor. 
Ich schließe damit, daß ich es ausspreche: ich gehe in die Beratung 
mit der sicheren Hoffnung auf Gelingen; ich bin überzeugt, daß alle ver- 
sammelten Herren mit voller Begeisterung und mit voller Hingebung den 
großen Aufgaben sich widmen, welche den Kern in dieser Beratung bilden, 
und wenn uns dabei die Kraft erlahmen sollte, so werden wir auf Ew. 
Majestät blicken und in Dankbarkeit und Ehrfurcht uns des Eifers, der 
Liebe und der Hingebung erinnern, die Ew. Majestät unserm gesamten 
Schulwesen stets geschenkt haben. 
Der Kaiser erwiderte darauf folgendes: 
Meine Herren! Ich begrüße Sie von ganzem Herzen hier und Ich 
danke dem Herrn Minister, daß er persönlich trotz des Ueberladenseins mit 
Arbeien aller Art es übernommen hat, den Vorsitz in dieser Versammlung 
zu führen. 
Ich bin der festen Ueberzeugung, daß kein Mensch mehr dazu an- 
gethan ist und geschickter dazu angelegt ist, eine solche Frage richtig zu leiten 
und zu ihrer Lösung beizutragen, wie unser Herr Kultusminister, von dem 
Ich ganz bestimmt und ohne Ueberhebung sagen kann, daß der Deutsche 
Staat und das Königreich Preußen seit langen Jahren keinen so tapferen, 
und hervorragenden Kultusminister gehabt haben, wie ihn. Ich 
daß es gelingen wird, das Werk mit Ihrer Hilfe nicht nur zu fördern, 
auch zum Abschluß zu bringen. 
Nachher hält der Kaiser folgende Ansprache: 
Meine Herren! Ich habe Mir zuerst ausgebeten, ein paar Worte 
zu Ihnen zu reden, weil Mir daran liegt, daß die Herren von vornherein 
wissen, wie Ich über die Sache denke. Es wird entschieden sehr vieles zur 
Diskussion kommen, ohne entschieden werden zu können, und Ich glaube, 
daß auch manche Punkte nebelhaft im Dunkel bleiben werden; deshalb habe 
Ich es für gut gehalten, die Herren nicht im Zweifel darüber zu lassen, 
welches Meine Ansichten darüber sind. 
Zunächst möchte ich bemerken, daß es sich hier vor allen Dingen nicht 
um eine politische Schulfrage handelt, sondern lediglich um technische und 
pädagogische Maßnahmen, die wir zu ergreifen haben, um unsere heran- 
wachsende Jugend den jetzigen Anforderungen, der Weltstellung unseres 
Vaterlandes und auch unseres Lebens entsprechend heranzubilden. Und da 
möchte Ich gleich eines bemerken. 
Ich würde Mich sehr gefreut haben, wenn wir diese Prüfungen, diese 
Verhandlungen nicht mit einem französischen Wort: „Schulenquete", sondern 
   
	        
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