Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

182 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dez. 17.) 
späterhin das Gefühl geben, daß auch Sie bei dieser Arbeit wesentliches 
mitgeleistet haben. 
Meine Herren! Ich möchte, obwohl Ich sonst nicht gerne ablese, 
Ihnen doch einen Artikel mitteilen, den Ich für so bemerkenswert, für so 
schön geschrieben halte, der so in jeder Weise das wiedergibt, was Meine 
Gedanken waren, als Ich zu Ihnen vor ungefähr vierzehn Tagen sprach, 
daß Ich die Hauptsätze, die hier drin verzeichnet sind, Ihnen vorlesen möchte. 
Er entstammt dem „Hannover'schen Kurier“ vom 14. d. M. Unter der Ueber- 
schrift „Mißverständnisse“ findet sich dort folgende Reihe von Sätzen: 
Wem der gewaltige Gegensatz zwischen einst und jetzt voll zum Be- 
wußtsein kommt, der wird zugleich von der Ueberzeugung durchdrungen, 
daß das neue Staatswesen wert ist, erhalten zu werden, und daß es eine 
der ganzen Kraft des Mannes würdige Aufgabe ist, an der Erhaltung 
und ruhigen Weiterentwickelung dieses Staatswesens mitzuarbeiten. Daß 
dem Lehrer in der Darstellung jener Verhältnisse einer unerfreulichen 
Vergangenheit die größte Freiheit verstattet werden muß, ist selbstver- 
ständlich; ebenso selbstverständlich aber ist es, daß nur derjenige zum 
Lehrer unserer Jugend berufen ist, der treu und aus voller Ueberzeugung 
auf dem Boden der Monarchie und der Verfassung steht. Ein Anhänger 
radikaler Utopien ist als Lehrer der Jugend ebensowenig zu brauchen 
wie in den Geschäftsstuben der Staatsverwaltung. Der Lehrer ist nach 
seinen Rechten und nach seinen Pflichten in erster Linie Beamter des 
Staats, und zwar des bestehenden Staats. In einer lebhaften Be- 
tätigung dieser seiner Stellung und seiner Aufgabe würde der Lehrer 
zum großen Teil wenigstens auch schon das geleistet haben, was von ihm 
verlangt wird, um die Jugend tüchtig zu machen zum Widerstand gegen 
alle umstürzlerischen Bestrebungen. Was weiter dazu gehört, eine rege 
Pflege der Charakterbildung, des selbständigen Denkens und Urteilens, 
soll heute unerörtert bleiben, ebenso, inwieweit unsere Lehrerschaft der 
hier skizzierten Aufgabe schon jetzt nachkommt. Davon ein andermal. 
Aber daran kann doch im Ernst niemand denken, daß die Lehren der 
Sozialdemokratie in der Schule im einzelnen erörtert und etwa durch 
autoritäre Aeußerungen oder in freier Diskussion widerlegt werden sollen. 
Wer zu einem klaren Verständnis von dem Wesen des Staats, von dem 
Werden und den Fortschritten unseres Staats durchgedrungen ist, der 
wird im stande sein, das Ungereimte, das Verwerfliche und Gefährliche 
der sozialdemokratischen Theorie und Praxis zu durchschauen, der wird 
es als seine Pflicht erkennen, mannhaft seinen Platz in den Reihen derer 
zu behaupten, welche unsern Staat gegen feindliche Angriffe, wie von 
außen, so im Innern, verteidigen. Der Staatsverwaltung höchste Auf- 
gabe bleibt es, durch verständnisvolles Entgegenkommen auf dem Gebiet 
der öffentlichen Wohlfahrt und Freiheit sich die Sympathien aller ge- 
mäßigten und einsichtsvollen Elemente dauernd zu erhalten. 
Ein anderer Klageruf, dem ebenfalls mißverständliche Auffassungen 
zu Grunde liegen, geht dahin, daß unserer gesamten klassischen Bildung 
die Vernichtung drohe. Wir meinen, es sind nicht echte Freunde jener 
Bildung, welche diese Befürchtung laut werden lassen; zum mindesten 
kann ihnen der Vorwurf nicht erspart werden, daß sie von dem, was 
unter „klassischer Bildung“ zu verstehen ist, nur einen recht oberfläch- 
lichen Begriff haben. 
Meine Herren! Der Mann, der das geschrieben, hat Mich verstanden, 
und Ich bin ihm dankbar, daß er in weiteren Kreisen des Volks diese An- 
sicht zu verbreiten gesucht hat. 
Lassen Sie Mich noch ein Wort sprechen von unseren militärischen
	        
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