Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

200 JVie Geserreichisch-Angerische Menarhie. (Mai 30.——Juni 7.) 
hieße zwei Klassen von Staatsbürgern schaffen: die eine, welche das Gesetz 
anerkenne, die andere, welche es nicht thue. 
29. Mai. Der frühere Kriegsminister und Statthalter von 
Böhmen General Baron Koller f. 
30. Mai. (Pest.) Das Abgeordnetenhaus lehnt mit 219 
gegen 80 Stimmen den Gesetzentwurf Iranyis betreffend die Re- 
vision des Inkolatsgesetzes ab. 
1. Juni. (Prag.) Der Landtag lehnt den Antrag, betreffend 
die in das Ausgleichsgesetz aufzunehmenden Bestimmungen über 
die Verhandlungssprache im Landesschulrate ab, nimmt dagegen 
den Vermittelungsantrag des Fürsten Windischgrätz, daß diese Be- 
stimmungen im Verordnungswege unter Wahrung der Gleichberech- 
tigung der deutschen und der tschechischen Sprache erfolgen sollen, an. 
3. Juni. (Prag.) Der Landtag nimmt trotz fortgesetzter 
Obstruktionsversuche der Jungtschechen die Schulaufsichtsvor- 
lage des Ausgleichsgesetzes an. 
4. Juni. (Pest.) Den Delegationen geht das Bud- 
get zu. 
Dasselbe beziffert das ordentliche Erfordernis mit 116,523,548 Gulden, 
das außerordentliche mit 16,402,339 Gulden, davon 14,450,439 Gulden für 
Heeres= und 1,860,500 Gulden für Marinezwecke, speziell: 2 Millionen Gulden 
zur Fortsetzung der Beschaffung von Repetiergewehren und -Karabinern, 
2½ Millionen Gulden als erste Rate zur Einführung des rauchlosen Pul- 
vers, wofür im ganzen 11,400,000 Gulden begehrt werden, 1 Million Gulden 
zur Verstärkung der Armierung fester Plätze durch neue Geschütze, 1 Million 
Gulden zur Hebung der Widerstandsfähigkeit der beiden galizischen Festungen, 
889,534 Gulden zur Umwandlung der leichten Batterien aller Korps-Artil- 
lerie-Regimenter in schwere und 695,400 Gulden für die Kompletierung von 
27 Infanterie-Regimentern auf den normalen Friedensstand, ferner: 540,000 
Gulden als zweite NRate für den Rammkreuzer „C“, 180,000 Gulden als 
zweite Rate für den Donau-Monitor I, 80,000 Gulden als erste Rate für 
den Donau-Monitor II. Das Ministerium des Aeußern beansprucht eine 
Erhöhung des Dispositionsfonds auf 600,000 Gulden. 
7. Juni. (Pest.) Die Erwiderung des Kaisers auf die 
Ansprachen beider Delegationspräsidenten stellt fest, 
daß seit dem letzten Jahre in der allgemeinen politischen Lage und 
in den Verhältnissen der Oesterreich-Ungarn näher berührenden Balkan- 
Länder eine wesentliche Veränderung nicht eingetreten sei. Die freundschaft- 
lichen Beziehungen zu allen Mächten bestärken den Kaiser in der Hoffnung, 
daß die Segnungen des Friedens auch fernerhin erhalten bleiben werden. 
In kraftvollem Zusammenstehen mit den Verbündeten Oesterreich-Ungarns 
und in vertrauensvollem Zusammenwirken zu den gemeinsamen Friedens- 
zielen erblickt der Kaiser auch für die Zukunft eine bereits bewährte Bürg- 
schaft für die Sicherung seiner auf die Wohlfahrt und das Gedeihen seiner 
Völker gerichteten Bestrebungen. Die unansgesetzte Fortentwickelung der Wehr- 
kraft Oesterreich-Ungarns müsse notwendigerweise im möglichsten Einklange
	        
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