202 Die Gesterreichisch-Augerische Monarchie. (Juni 10.)
durch gefährliche Fragen und Abenteuer schädigt, und das Bestreben zeigt,
mit seinen Nachbarn, insbesondere mit der Pforte, gute Beziehungen zu er-
halten. Bulgariens Zukunft, welche in seinen eigenen Händen ruht, erscheint
gesichert, wenn es fortfährt, ruhig, ohne Abenteuer an der eigenen Festigung
zu arbeiten. Um zu Serbien das erwünschte Verhältnis zu erhalten, ist
unfrerseits gewiß alles geschehen, natürlich unter der Voraussetzung der Gegen-
seitigkeit. Der Regierung und der Regentschaft mag der gute Wille nicht
fehlen, allein die gegenwärtige, Oesterreich-Ungarn unfreundliche, wenn nicht
feindliche Strömung ist vielleicht stärker als die Autorität der Regentschaft
und Regierung, die hilflos gegenüber dem Preßtreiben ist. Die in Serbien
herrschende Preßfreiheit können nur hochzivilisierte Nationen vertragen; wo
moralisch und politisch unreife oder unwürdige Elemente sich der Feder be-
mächtigen, vermag eine solche Preßfreiheit großen Schaden anzurichten. Die
Stellung größerer Staaten zu kleineren ist stets schwierig, wenn die Be-
ziehungen sich versteifen, da man geneigt ist, den größeren der Vergewaltigung
anzuklagen, sobald er begehrt, was seines Rechtes ist.“ Angesichts der geo-
graphischen Lage, der inneren Verhältnisse und der Finanzen Serbiens be-
sorgt Graf Kalnoky nicht, daß Serbien ernste Verwickelungen mit den Nachbar-
staaten veranlasse, da die Folgen am empfindlichsten für Serbien selbst sein
müßten. Aus der bisherigen stets wohlwollenden Haltung Oesterreich-Ungarns
habe Serbien großen Nutzen gezogen. Es werde nicht Oesterreich-Ungarns
Schuld sein, wenn diese Haltung sich in eine nicht entgegenkommende ver-
wandeln sollte. Gegenüber den fortdauernden freundschaftlichen Versicherungen
der Regentschaft und der Regierung müsse man die Erwartung aussprechen,
daß sie die erforderliche Autorität besäßen, ihnen thatsächlichen Rückhalt zu
geben. Oesterreich-Ungarn habe Serbien in keinem Zeitpunkte im Zweifel.
gelassen, daß ihm gute Beziehungen Serbiens zu Rußland erwünscht seien und
kein feindseliges Verhalten zu Oesterreich-Ungarn nötig machten. Zu Ru-
mänien und dessen Regierung seien die Beziehungen sehr freundlich. Betreffs
der leider stagnierenden handelspolitischen Beziehungen seien tuct beiderseitiger
eifriger Bemühungen die Verhandlungen nicht beendigt. Der Minister drückt
sodann die Hoffnung aus, die allgemein herrschende protektionistische Richtung
werde sich so weit klären, daß speziell auch mit Deutschland Herstellung eines
handelspolitischen Verhältnisses ermöglicht werde, welches den Intentionen und
Wünschen der Bevölkerung besser entspreche als der gegenwärtige Zustand.
Bald darauf erscheinen Verordnungen, welche die Einfuhr
aus Serbien, besonders den Schweineimport sehr erschweren.
10. Juni. Heeresausschuß der ungarischen Delegation.
Kriegsminister Baron Bauer gibt eine allgemeine Uebersicht der
Politik, welche ihn bei der Unterbreitung seines Budgets leitete.
Er bedauert, erklären zu müssen, daß die militärischen Anforderungen
vorderhand nicht reduzierbar seien, und daß seine ursprünglichen Forderungen
höher gewesen, aber aus finanziellen Rücksichten reduziert worden seien. Die
zu leistende Arbeit sei eigentlich eine Flickarbeit, die Erfordernisse seien zahl-
los, die verfügbaren Mittel beschränkt, in dem vorliegenden Budget seien
nur die Fundamente niedergelegt, auf welchen in den nächsten Jahren weiter-
zubauen sein werde. Bedeutendere Erhöhungen würden unvermeidlich und
voraussichtlich werde die Frage der Erhöhung des Friedensstandes zu er-
wägen sein. Die ganze Welt arbeite bloß an der Erhöhung der Militär-
macht, und darin könne Oesterreich-Ungarn nicht ganz zurückbleiben, wenn
es auch nicht zu einer Kraftanstrengung wie beispielsweise das Deutsche Reich