Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

208 VDie Oeferreithish-Augarische Menarthie. (Nov. 6. — Dez. Anf.) 
ein. Er findet eine sehr feierliche Aufnahme und setzt seine Reise 
am nächsten Tage über Triest fort. 
22. November. (Böhmischer Landtag.) Der Minoritäts- 
antrag auf Uebergang zur Tagesordnung über die Landeskultur- 
rats-Vorlage wird abgelehnt. 
Ende November. Infolge der durch die Obstruktion der Jung- 
tschechen und die Spaltung der Alttschechen bedingten Unsicherheit 
des Ausgleichwerkes beschließen die Deutschen sich an der böhmi- 
schen Landesausstellung nicht zu beteiligen. 
Ende November. Das Landeskulturratsgesetz wird vom 
Landtage angenommen, jedoch mit so geringer Majorität, daß sich 
das Scheitern derjenigen Ausgleichsvorlagen, deren Annahme 
gesetzlich die Zweidrittelmajorität erfordert, mit Sicherheit voraus- 
sehen läßt. 
26. November. (Budapest: Abgeordnetenhaus.) In der 
Debatte über die „Wegtaufungen“, d. h. die unbefugte Taufe 
von Kindern aus gemischten Ehen nach katholischem Ritus, hält 
der Justizminister Szilagyi eine Rede, in welcher er auf die Not- 
wendigkeit der Einführung der Zivilehe hinweist, und sich folgender- 
maßen äußert: 
„Bei der Ausarbeitung des Gesetzes über die Civilehe gehe ich von 
dem Prinzip aus, daß dasselbe zugleich mit dem Familienrechte als inte- 
grierender Teil desselben ausgearbeitet werden muß. Ein Prinzip des Ge- 
setzes ist es ferner, daß die ausschließlich obligatorische Ordnung der Rechts- 
verhältnisse der Ehe vom Staate festgesetzt wird in einem Gesetze für alle 
Staatsbürger ohne jeden Unterschied. Daraus folgt, daß jede konfessionelle 
Legislation, jede konfessionelle Jurisdiktion in ihrer Gültigkeit aufgehoben 
und abgeschafft wird; daraus folgt aber auch, daß die Anwendung dieses 
Gesetzes, welches das eherechtliche Verhältnis aller Staatsbürger ausschließlich 
regelt, ausschließlich den Gerichten des Staates zukommt. Der Staat über- 
nimmt dann auf dem Gebiete der eherechtlichen Verhältnisse sowohl die 
Legislation als auch die Jurisdiktion ausschließlich und mit der Aufgabe, 
sie für alle Bürger zugleich zu lösen. Im Zusammenhange damit wird 
notwendigerweise und als ergänzender Teil auch die Form der Eheschließung 
einbezogen werden.“ 
Am folgenden Tage werden die Anträge, welche den Prä- 
tensionen des katholischen Klerus entgegenkommen wollen, abgelehnt 
und dagegen der Antrag Szivat für Aufrechterhaltung der bestehen- 
den Gesetze angenommen. 
5. Dezember. (Wien: Abgeordnetenhaus.) Finanzminister 
Dunajewski legt das Budget vor, welches einen Ueberschuß von 
mehr als 2 Millionen Gulden aufweist. 
Anfang Dezember. (Wien.) Versammlung österreichischer,
	        
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