Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

SErankreith. (März 5.—8.) 237 
das Ministerium wegen des stattgehabten Ministerwechsels. Ob- 
gleich das Kabinet ein Vertrauensvotum erhält, läßt die Debatte 
doch die Stellung Tirards als sehr unsicher erscheinen. 
5. März. Der König von Dahome eröffnet Feindselig- 
keiten gegen die französische Guinea-Kolonie. Mehrere Europäer 
werden gefangen; ein Angriff der Armee des Königs bei Kotonn 
von den Franzosen zurückgeschlagen. 
6. März. Erlaß des Ministers des Auswärtigen, Spuller, 
an den französischen Botschafter in Berlin über die Berliner 
Konferenz: 
Spuller erinnert daran, daß die Zustimmung zur Berner Konferenz 
durch die Vorsicht der Schweiz erleichtert war, dieser Konferenz den Charakter 
einer ausschließlich technischen und theoretischen Beratung zu wahren; sie 
sollte eine einfache internationale Enquete sein, deren Konklusionen keine 
positive Sanktion erforderten. Ihr Programm vermied die Frage der Be- 
schränkung der jugendlichen Arbeiter, andrerseits verpflichteten die zu fassenden 
Beschlüsse die Regierungen nicht, welchen dieselben in Form einfacher Vor- 
schläge mitgeteilt werden sollten. Die praktischen Vorschläge einer solchen 
Methode werden dem Berliner Kabinet so wenig als uns selbst entgangen 
sein. Niemand, in der That, kann sich über die Schwierigkeiten aller Art 
täuschen, welche die Regelung und selbst die einfache Prüfung so umfang- 
reicher und delikater Fragen auf einer internationalen Konferenz sowohl in 
der Verschiedenheit der Gesetzgebung, der Arbeitsbedingungen und des sozialen 
Lebens wie in dem unvermeidlichen Konflikt der Interessen begegnen muß, 
welchen zu beraten die Aufgabe sein würde. Auf keinen Fall könne eine 
Beschränkung des Arbeitstages in Frage kommen, welche wenigstens für die 
jugendlichen Arbeiter eng verknüpft ist einerseits mit den Prinzipien, auf 
welchen die politische Gesetzgebung der verschiedenen Staaten beruht, und 
andrerseits mit den allgemeinen Bedingungen der gewerblichen Produktion, 
welche als ausschließlich der inneren staatlichen Ordnung angehörig betrachtet 
werden muß und daher nicht zweckloserweise (inutilement) der diplomatischen 
Diskussion unterzogen werden sollte. Es erscheint mir unabweislich und im 
Interesse des Werkes selbst, zu welchem wir eingeladen sind, diesen Punkt 
schon jetzt festzustellen, um jedem etwaigen Mißverständnis für die Zukunft 
vorzubeugen. Im übrigen ist die französische Regierung mit diesem Vor- 
behalt, dessen Absicht und Bedeutung die Reichskanzlei, wie ich überzeugt 
bin, zu würdigen wissen wird, vollständig geneigt, im Prinzip der projek- 
tierten Konferenz in Berlin zuzustimmen. 
8. März. Der Unterstaatssekretär für die Kolonien Etienne 
beantwortet eine Interpellation über die Beziehungen Frank- 
reichs zu dem Negerkönigreich Dahomey: 
Die auf Verträgen beruhenden Ansprüche und Rechte Frankreichs 
würden jetzt von dem neuen Könige bestritten und mißachtet. Er sei mit 
seinen Banden in das unter dem Schutz der Republik stehende Königreich 
Porto Novo eingefallen und habe dort Razzias veranstaltet. Die Opfer 
dieser Jagden wurden ermordet oder als Sklaven verkauft. Als der fran- 
zösische Gouverneur Dr. Bayol sich nach Abome, der Hauptstadt des Königs 
Megle, begeben habe, sei er dort 33 Tage — man könne sagen als Ge- 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.