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schen den beiden Völkern eine herzlichere geworden sei, habe der junge Kaiser
zweimal die „Roma intangibile“ begrüßt. Nicht weniger loyal, wenn auch
nicht so demonstrativ sei die Stellung des katholischen Oesterreichs Italien
gegenüber gewesen. Die Irredentisten täuschten sich, wenn sie glaubten, fie
könnten die Grundlagen der Monarchie untergraben, welche sie beschuldigen,
eine antinationale Politik zu verfolgen. Die Grundlagen seien zu fest ge-
fügt. Die Interessen Italiens seien identisch mit denen der Monarchie.
Crispi schloß seine Rede, welche häufig durch stürmischen Beifall
unterbrochen wurde, mit folgenden Worten: „Trinken Sie auf das Wohl
des italienischen Volkes, welches Sie so würdig repräsentieren, und auf die
Dynastie, welche es so edel in der Welt vertritt. Und möge in meinem
Hoch auf Italien und auf seinen König der heilige Wille ausgesprochen sein,
stets nur das Gute für beide zu erstreben.“
24. Oktober. Die Kammer wird aufgelöst; die Neu-
wahlen werden auf den 23. November anberaumt.
24. Oktober. Italien erkennt die brasilianische Repu-
blik an.
Ende Oktober. Die Wahlbewegung veranlaßt die ent-
gegenstehenden Parteien ihre Sympathien für Deutschland resp. für
Frankreich auszusprechen. Insbesondere bietet der in Frankreich
plötzlich aufgetauchte Plan, Garibaldi wegen seiner Thätigkeit im
Kriege von 1870 ein Denkmal zu errichten, zu lebhaften Kontro-
versen Anlaß.
Ende Oktober. Der Marquis Rudini, Führer der Kon-
servativen, richtet anläßlich der bevorstehenden Neuwahlen zur
Kammer ein Schreiben an die „Opinione“,
in welchem er ausführt, daß er und seine Freunde mit der gegenwärtigen
Richtung der auswärtigen und der inneren Politik vollständig einverstanden
seien. Für Italien sei sowohl im Innern, als nach außen hin eine lange
Periode des Friedens durchaus notwendig, und diese Friedensperiode werde
durch den Dreibund und durch die kräftige Verteidigung der bestehenden
Institutionen gegen die Angriffe der Umsturzparteien gesichert. Ohne Frieden
sei Italien nicht im stande, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu verbessern.
Gegen die Politik Crispis treten nur die Radikalen auf.
4. November. (Mailand.) In einer Versammlung der
Führer der radikalen Partei schlägt Cavallotti vor, während der
Anwesenheit des deutschen Reichskanzlers v. Caprivi in Mailand
ein Bankett als Demonstration gegen die Tripelallianz ab-
zuhalten, was jedoch von der Mehrheit der Versammelten abge-
lehnt wird.
7. November. Der deutsche Reichskanzler v. Caprivi
trifft in Mailand ein, konferiert dort mit Crispi und begibt sich
am folgenden Tage mit diesem nach Monza, wo er von dem König
und der Königin empfangen und zur Tafel gezogen wird.