PKußland. (Juni 2.—Mitte.) 285
2. Juni. Der Kronprinz von Italien besucht nach Voll-
endung seiner Ortentreise Petersburg und wird mit großen Ehren
empfangen.
2. Juni. In der Verhaftung von Nihilisten in Paris
sehen russische Blätter ein Zeichen der Solidarität Frankreichs und
Rußlands, sowie der Unschädlichkeit der republikanischen Staats-
form für ein Bündnis beider Reiche.
7. Juni. Der „Nord“ konstatiert die Befriedigung des Zaren
über die Pariser Nihilistenverhaftungen.
12. Juni. Ein kaiserlicher Befehl verfügt die völlige Ab-
hängigkeit der von Alexander II. eingeführten Provinzialver-
sammlungen von den Provinzialgouverneuren, mit der Moti-
vierung, die Erfüllung ihrer Pflichten dadurch in Uebereinstimmung
mit den Absichten ihres Begründers zu bringen.
Ausländischen Blättern zufolge wird im Juni eine Unter-
minierung des Gatschinaer Schlosses entdeckt.
15. Juni. Der Senat inhibiert die von dem estländi-
schen Gouverneur Schachowskoi widerrechtlich verfügte Ein-
ziehung des Kapitals zum Unterhalte der Revaler lutherischen
Kirchen (sogen. Gotteskasten), und übergibt die Art der Verwen-
dung dieses Kapitals dem Beschlusse der Revaler Stadtverordneten-
versammlung anheim.
17. Juni. Fürst Dondukow-Korssakow, Chef der Civil-
verwaltung und kommandierender General der Truppen des Kau-
kasus, wird auf Ansuchen seines Postens enthoben, zu seinem Nach-
solger der bisherige Adjunkt Generallieutenant Scheremetjew
ernannt.
Mitte Juni. Der internationale Gefängniskongreß
tritt in Petersburg zusammen.
Mitte Juni. Russische Zeitungen äußern sich sehr unzufrieden
über das deutsch-englische Abkommen.
Das „Nowoje Wremja“ schreibt:
„Der Vertrag bedeute einen Sieg der deutschen Anglophilen, ein
Aufgeben der Politik des Fürsten Bismarck und des feierlichen Vermächt-
nisses Kaiser Wilhelms I. Der Widerspruch der „Hamb. Nachr.“ zeige,
daß Fürst Bismarck einsehe, auf wie gefährlichem Wege seine Nachfolger
ehen, wie dreist sie die Verantwortlichkeit Deutschlands steigern, wie gering
7 den Frieden schätzen in der Ueberzeugung, durch Rüstungen und Koali-
tionen auch den gefährlichsten Aufgaben gewachsen zu sein. Der Nebel über
Europa verdichte sich. Im Interesse des Friedens sei es wünschenswert, die
wahre Sachlage aufzuhellen.“