318 AUebersicht der politischen Eulmicelung des Zahres 1890.
Frankreich endlich doch nicht umhin gekonnt hat, zu einem großen
humanitären Zweck mit Deutschland zusammenzuwirken und sich
durch seine Delegierten sozusagen persönlich zu überzeugen, daß
Deutschland voll befriedigt sein würde, wenn es ihm vergönnt
wird, Lorbeeren in diesen Künsten des Friedens und der allge—
meinen Wohlfahrt zu erringen.
Neu- Ein unvergängliches Andenken in der deutschen Geschichte
* wird der sogenannte Kartell= oder Septennats-Reichstag von 1887
Reichs= bis 1890 genießen. Er hat durch seine umfassenden Bewilligungen
tas. für die Armee und Marine Deutschlands internationale Stellung
gesichert und den Frieden erhalten helfen; er hat durch die Reform
und Erhöhung der Branntwein= und Zuckersteuer die nötigen Geld-
mittel geschaffen. Er hat an die Stelle der dreijährigen die fünf-
jährige Legislaturperiode gesetzt. Er hat endlich das Invaliditäts=
und Altersversicherungs-Gesetz zu stande gebracht. Mit diesen Thaten
war nun seine Mission erfüllt. Ganz wie von dem Fürsten Bis-
marck kann man auch von der Kartell-Majorität sagen, sie habe
sich durch ihre Thaten selbst entbehrlich gemacht. Ueber die weiteren
Aufgaben der Gesetzgebung gab es kein gemeinsames konkretes Pro-
gramm mehr, um so weniger als man vor Dingen stand, deren
Behandlung durch die subjektiven Auffassungen des Fürsten Bis-
marck äußerst erschwert wurde. Da, wie wir sahen, auch über
das Sozialisten-Gesetz eine Einigung nicht zu stande kam, so ging
die bisherige Majorität in die Neuwahlen mit einer Art Vakuum.
Das Bündnis der Parteien wurde zwar ausdrücklich erneuert, aber
bei dem Mangel positiver Ziele blieb es inhaltlos und vermochte
einen rechten Eifer in den Wählern nicht zu entzünden.
Ein zufälliger Umstand trug dazu bei, die Situation für
diese Parteien zu verschlimmern. Bei der letzten Feststellung der
Getreidezölle hatte man im agrarischen Uebereifer den Fehler ge-
macht, keinen Notausgang für den Fall einer Teuerung zu schaffen.
In der „Uebersicht“ dieses Geschichtskalenders zum Jahre 1887
findet man den Satz „es wird die Zeit kommen, wo die Getreide-
preise wieder steigen und da in dem Gesetz keinerlei Vorsorge für
diese Eventualität getroffen ist, so kann der Fall eintreten, daß
vermöge des Zolles eine Verteuerung des Brotes einfällt. Eine