Sperr-
gelder.
324 Aebersicht der politischen Entwichelung des Jahres 1890.
wandte Einrichtung war im Jahr 1886 (vgl. diesen Jahrg. S. 462)
neu belebt worden zum Zweck der Erleichterung und Sicherung der
Ansiedelung deutscher Bauern in Posen. Sie wurde jetzt auf die
ganze Monarchie ausgedehnt, um den ländlichen Arbeiterstand zu
heben und gesundere soziale Verhältnisse auf den großen Land-
gütern zu schaffen. Das Rentengut soll dem ländlichen Arbeiter
ermöglichen, Grund und Boden zu erwerben ohne Kapital, und
dem größeren Grundbesitzer, der den Grund und Boden abtritt,
gleichzeitig die Sicherheit gewähren, daß auf dieser Abtretung wirk-
lich ländliche Arbeiterfamilien, mit deren Lohnarbeit er sein Gut
bewirtschaften kann, dauernd wohnen.
Den zweiten Gesetzentwurf, der das Abgeordnetenhaus be-
schäftigte, brachte das Kultusministerium. In der Zeit des Kultur-
kampfs war einer großen Zahl katholischer Geistlichen durch Gesetz
das Gehalt „gesperrt“, und hieraus ein Fonds angesammelt, der
allmählich die Höhe von nicht weniger als 16,013,731 Mark er-
reicht hatte. Daß die katholische Kirche ein Anrecht auf diese Gel-
der hatte, war nach Wortlaut und Intention des Gesetzes unzweifel-
haft. Das Zentrum forderte deshalb einfach die Auszahlung des
gesamten Kapitals samt Zinsen an die Bischöfe. Die Regierung
schlug vor, eine dem Kapital entsprechende jährliche Rente den Diö-
zesen in demselben Verhältnis zuzuweisen, wie sie zu dem Fonds
beigetragen (im ganzen 560,000 Mark) und die Bestimmung über
die Verwendung der Rente einer Vereinbarung zwischen jedem Bi-
schof und dem Kultusminister zu überlassen (vgl. S. 61). Mit
einer Art Leidenschaft wies das Zentrum diesen Vorschlag zurück,
da durch das Recht der Zustimmung in Wahrheit der Minister das
Recht der Bestimmung erhalte und auf diese Weise die Bischöfe in
Abhängigkeit von sich zu bringen vermöge. Das Mißtrauen gegen
die eigenen Bischöfe ging so weit, daß man von der Schaffung
eines Korruptionsfonds sprach. Die Verhandlungen erhielten da-
durch einen eigentümlichen Beigeschmack, daß der Minister v. Goßler
versicherte, die Kurie selber habe ihm wissen lassen, daß sie keinen
Widerspruch gegen den Vorschlag der Regierung erhebe, während
der Abgeordnete Windthorst die Richtigkeit dieser Behauptung be-
stritt und dabei blieb, der unbekannt bleibende Mittelsmann müsse