Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechster Jahrgang. 1890. (31)

Das dentsche Reihh und seine einzeluen Glieder. (März 29. 31.) 51 
öhe erreicht haben, welche es dem ländlichen Höundbessser nahezu unmög- 
ich macht, die Söhne der ihm lieb gewordenen Waffe zuzuführen. Mit solchen 
übertriebenen Ansprüchen wird der Offizier-Ersatz nach Umfang und Be- 
schaffenheit beeinträchtigt. Ich will nicht, daß in Meiner Armee das An- 
sehen der Offizierkorps nach der Höhe der Eintrittszulage bemessen werde 
und schätze diejenigen Regimenter besonders hoch, deren Offiziere sich mit 
geringen Mitteln einzurichten und doch ihre Pflicht mit der Befriedigung 
und Freudigkeit zu erfüllen wissen, die den preußischen Offizier von alters 
her ausgezeichnet haben. In diesem Sinne mit Aufbietung aller Kräfte zu 
wirken, ist die Aufgabe der Truppenkommandeure. Unausgesetzt haben sie es 
sich klar zu machen, daß es heutzutage mehr wie je darauf ankommt, Cha- 
raktere zu erwecken und groß zu ziehen, die Selbstverleugnung bei ihren 
Offizieren zu heben, und daß hierfür das eigene Beispiel in erster Linie 
mitwirken muß. Wie Ich es den Kommandeuren erneut zur Pflicht mache, 
den mancherlei Auswüchsen des Luxus zu steuern, die in kostspieligen Ge- 
schenken, in häufigen Festessen, in einem übertriebenen Aufwande bei der 
Geselligkeit und ähnlichen Dingen zu Tage treten, so halte Ich es auch für 
angezeigt, der Auffassung nachdrücklich entgegenzutreten, als sei der Komman= 
deur selber vermöge seiner Dienststellung zu umfangreichen Ausgaben für 
Repräsentationszwecke verpflichtet. Ein jeder Offizier kann sich durch ange- 
messene Förderung einer einfachen, standesgemäßen Geselligkeit Verdienste um 
seinen Kameradenkreis erwerben; zum „Repräsentieren“ aber sind nach Mei- 
nem Willen nur die kommandierenden Generale verpflichtet, und darf es in 
Meiner Armee nicht vorkommen, daß gutgediente Stabsoffiziere mit Sorgen 
den Geldopfern entgegensehen, die mit dem etwaigen Erreichen der Regiments- 
kommandeur-Stellung vermeintlich ihrer warten. Ich werde Mir von Zeit 
zu Zeit neben den Eingaben über die Offizier-Aspiranten Nachweisungen 
über die bei den Truppenteilen üblichen Zulagen und die Gehaltsabzüge 
vorlegen lassen. Wie Ich hiermit bestmme daß Mir solche Offiziere nam- 
haft zu machen sind, welche den auf Vereinfachung des Lebens gerichteten 
Einwirkungen ihrer Vorgesetzten nicht entsprechen, 1 werde Ich die Kom- 
mandeure wesentlich mit danach beurteilen, ob es ihnen gelingt, einen ge- 
eigneten und ausreichenden Nachwuchs an Offizieren heranzuziehen und das 
Leben ihrer Offizierkorps einfach und wenig kostspielig zu gestalten. — Ich 
wünsche von Herzen, daß ein jeder Meiner Offiziere nach erfüllter Pflicht 
seines Lebens froh werde. Dem überhandnehmenden Luxus in der Armee 
muß aber mit allem Ernst und Nachdruck entgegengetreten werden. 
29. März. Die Arbeiterschutzkonferenz schließt ihre Sitzungen; 
die von ihr formulierten „Wünsche“ s. Staatsarchiv Bd. 51. 
29. März. Fürst Bismarck verläßt Berlin. Auf der Fahrt 
zum Bahnhofe und im Bahnhofsgebäude werden ihm stürmische 
Ovationen gebracht; vielfach ertönen die Rufe „Wiederkommen!“ 
„Auf Wiedersehen!“ Sowohl in Berlin als bei der Ankunft in 
Friedrichsruhe werden ihm auf Befehl des Kaisers durch dazu kom- 
mandierte Truppenabteilungen militärische Ehren erwiesen. 
31. März. Der Kaiser übersendet dem ersten französischen 
Bevollmächtigten bei der Konferenz Jules Simon die neu erschie- 
nene Ausgabe der musikalischen Werke Friedrichs des Großen nebst 
einem Handschreiben. 
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