82 Des denishe Reich and seine einzelnen Glieder. (Mai 16.)
basiert wäre, Platz sein. Er hat dann das Verlangen nach einem Reichs-
Finanzministerium ausgesprochen und begegnete sich naturgemäß darin mit dem,
was der Herr Abg. Richter vorgestern, wenn ich mich nicht irre, aussprach.
Der Herr Abg. Richter war der Meinung, das Reichs-Finan zministerium sei
um so nötiger, als der jetzige Reichskanzler von den Finanzen nichts ver-
stände. Zugegeben, aber ist es denn nicht das Natürlichste, daß der jetzige
Reichskanzler sich noch viel mehr auf den Schatzsekretär stützt und ihm viel
mehr Selbständigkeit gibt, als der vorige, daß also die Motive, die Sie zur
Klage veranlassen, gerade dadurch, daß der Reichskanzler weniger geneigt
sein kann, wenn er einiges Pflichtgefühl hat, in die Finanzverwaltung ein-
zugreifen, daß diese Motive beseitigt sind. Er sprach dann von dem Ver-
hältnis des Reichs-Schatzamts zum Kriegsminister und er bezeichnete das,
wenn ich recht gehört habe, als ein planloses Arbeiten. Ja, dem möchte ich
widersprechen. Ich weiß nicht, worauf sich das basiert. Es wird in dieser
Beziehung im Reich gerade so planvoll gearbeitet wie in Preußen, und wenn
die beiden Voten einander gegenüberstehen, so wird die Sache zu meiner
Entscheidung gebracht, soweit es sich um Finanzfragen handelt, und es steht
mir dann ebensogut frei, ob ich die beiden Herren einzeln oder, wie im
preußischen Staatsministerium, zusammen hören muß. Daß aber von einer
Planlosigkeit die Rede sein könne, dafür finde ich keinen Beweggrund.
Der Herr Abgeordnete betonte dann, er müsse uns die Verantwortung
zuschieben. Meine Herren, was an mir liegt, so bin ich unter allen Um-
ständen bereit, diejenige Verantwortung, die die Reichsverfassung mir auf-
legt, zu tragen.
Weiter kamen zum zweitenmal gewisse Desiderien zur Sprache, die sich
nicht direkt an dieses Gesetz knüpfen, sondern, wie der Herr Abg. Hänel sich
äußerte, an den — wenn ich mich recht entsinne — umfassenden Organisations-
plan, den der Herr Kriegsminister vorlegte. Ich habe zunächst zu erwidern,
daß da ein Mißverständnis vorliegen muß. Ich entsinne mich nicht, vom
Herrn Kriegsminister gehört zu haben, daß er einen umfassenden Organisa-
tionsplan vorlegen wolle. Er hat nur von Grundzügen gesprochen, die über
den Rahmen des jetzt Ihnen vorgelegten Gesetzes hinausgehen und eine Per-
spektive in die Zukunft eröffnen. Von einem festen Plan kann aber um so
weniger die Rede sein, als die verbündeten Regierungen sich über einen solchen
vch nicht schlüssig gemacht haben. Das würde aber die Voraussetzung zum
Dasein und auch zur Mitteilung eines festen Planes sein. Im wesentlichen
decken sich die Anforderungen, die der Herr Abg. Hänel an solche feste Pläne
macht, mit denen des Herrn Abg. Richter. Sie kommen auf drei Dinge
hinaus: zuerst war die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht die Voraus-
setzung, die der Herr Abgeordnete aussprach, und ich glaube, jeder Soldat
würde mit ihnen übereinstimmen
Es ist bekannt, daß das erste preußische Wehrgesetz vom 3. September
1814 die Basis unserer Militärverfassung gebildet hat und bis zur Stunde
— wenn auch formell nicht mehr gültig das Prinzip hergegeben hat,
unter dem wir gelebt haben, und dieses Gesetz von 1814 sagt:
Die Stärke des stehenden Heeres und der Landwehr wird nach dem jedes-
maligen Staatsverhältnis gestaltet.
Wie ist nun diese Stärkegestaltung geworden? Die jetzt im Augen-
blicke noch gültige Präsenzstärke ist basiert auf ein Gesetz vom Jahre 1887
und ist auf 486,409 Mann festgesetzt. Das gibt bei einer Bevölkerung, die
zwei Jahre früher auf 46,850,000 gezählt worden, 1 Proz. der Bevölkerung.
Unser gegenwärtiger Zustand ist also der von 1 Proz. unserer Bevölkerung.
Wenn man nun, wie es geschehen ist, von einer solchen starken und uner-
hörten Mehrbelastung gegen früher redet, so müßte zunächst nachgewiesen