Das denische Reihh und seine einzelnen Glieder. (Mai 29.—31.) 89
den, um begründeten desfallsigen Beschwerden der ländlichen Grund-
besitzer abzuhelfen.
29. Mai. Der Unterstaatssekretär des Auswärtigen, Graf
Berchem, tritt in den einstweiligen Ruhestand.
29. Mai. Das „Petit Journal“ berichtet über ein Inter-
view Bismarcks durch einen Journalisten Tristan.
Der Fürst sagt, er schätze Herrn v. Caprivi sehr; übrigens sei der-
selbe nicht im stande, die auswärtige Politik zu ändern die Geleise seien
so tief eingefahren, daß die Räder * gar nicht verlassen könnten. Er ver-
sichert von neuem, daß Deutschland Frankreich nie angreifen werde, daß er
selbst stets den Frieden gewollt habe, daß Deutschland keine Bevölkerung
fremder Nationalität mehr zu annektieren wünsche, sowie daß er selbst sich
der Annexion des dänischen Nordschleswig widersetzt habe.
29.—30. Mai. Ein evangelisch-sozialer Kongreß findet
unter dem Präsidium Adolf Wagners in Berlin unter Teilnahme
der Angehörigen verschiedener kirchlicher Richtungen statt. Zum
Schluß wird ein Aktionskomitee gewählt.
30. Mai. Erzbischof Dinder von Gnesen und Posen f.B
31. Mai. (München.) Der Vorsitzende des Ministerrates
und Kultusminister v. Lutz erhält wegen Krankheit seine Ent-
lassung; der Minister des Aeußern Freiherr v. Crailsheim wird
zum Vorsitzenden und der Polizeipräsident v. Müller zum Kultus-
minister ernannt. An Herrn v. Lutz richtet der Prinzregent fol-
gendes Schreiben:
Mein lieber Staatsminister Dr. Frhr. v. Lutz! Ihr Schreiben, in
dem Sie Mir die Bitte um Enthebung vortragen, erfüllt Mich mit tief-
schmerzlichen Empfindungen. Zu den höchsten Aemtern und Würden des
Staates in hervorragendem Maße berufen, haben Sie in treuester Hingabe
an Krone und Land Ihre volle Kraft eingesetzt und geopfert. Einzig und
allein der Umstand, daß Sie sich selbst den Anstrengungen des verantwortungs-
vollen Dienstes körperlich nicht mehr gewachsen fühlen und von einem län-
geren Verbleiben in der Aktivität die ernstlichsten Gefährdungen Ihrer Ge-
sundheit zu besorgen haben, vermag Mich zu bestimmen, Ihrer Bitte zu
entsprechen. Ich hoffe zuversichtlich, daß die Fernhaltung von Aufregungen
Ihr Befinden wieder bessert und daß Sie in der Rückerinnerung an ein so
verdienstreiches Leben auch die Kraft in sich finden, noch lange Jahre in der
Kammer der Reichsräte, deren Mitglied Sie sind, zum allgemeinen Besten
thätig zu sein. Meine innigsten und herzlichsten Wünsche begleiten Sie und
die Ihrigen fort und fort. Es drängt Mich, Ihnen in diesem für Mich
schmerzlichen Augenblicke ein äußeres Zeichen der besonderen ertschäfung
zu geben, die Ich in so hohem Grade für Sie hege. Demgemäß übersende
Ich Ihnen Meine lebensgroße Büste in Marmor und verfüge zugleich, daß
Sie bei dem Eintritte in die Zahl der Staatsräte im außerordentlichen
Dienste Titel und Rang eines kgl. Staatsministers beibehalten. Seien Sie
dessen versichert, daß es Mich immer freuen wird, Sie zu sehen, und daß Ich
Ihnen stets mit den huldvollsten Gesinnungen zugethan bleibe.
Ihr sehr geneigter Luitpold, Prinz-Regent von Bayern.