Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

Das Dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 19. -20.) 97 
bin tief davon durchdrungen: nur auf diesem Grunde wird es möglich werden, 
unsere Jugend mit den Idealen zu erfüllen, welche in Wahrheit sich als die 
wirklichen Realitäten des Leben erweisen. Nur auf diesem Grunde wird es 
gelingen, dem Ansturme der falschen materialistischen Ideen erfolgreich ent- 
gegenzutreten. Unsere Ideale sind keine leeren Träume, es sind wirkliche 
Realitäten, welche die Jugend kennen und hochhalten und lieben muß, um 
den Kamf des Lebens siegreich bestehen zu können. 
19. Mai. Die „Hamburger Nachrichten“ bringen unter 
der Ueberschrift „Der Druck auf Italien“ einen Artikel, in dem 
folgendes gesagt wird: 
Unter diesen Gesichtspunkten, d. h. weil Italiens Zugehörigkeit zu 
dem Dreibunde wesentlich von England abhängt, erscheint es unratsam, auf 
Italien, wenn es sich in finanzieller Schwierigkeit befindet, irgendwelchen 
Druck zwecks Erhöhung seiner Mititärmacht auszuüben und dies mit Drei- 
bundsrücksichten zu motivieren. Wenn Italien aus finanziellen Gründen 
der Versuchung ausgesetzt ist, „auf Kosten des Dreibundes ein bequemes 
Dasein zu führen", wie sich die „Kreuz-Ztg.“ ausdrückt, so sollte man es 
ruhig gewähren lassen. Selbst ein minder starkes Italien, das sich nach 
seiner Decke streckt, leistet dem Dreibunde, wenn es auf seiner Seite bleibt, 
immer noch gute Dienste. Die Gefahr, gegen die der Dreibund errichtet ist, 
die eines Doppelkrieges mit Frankreich und Rußland, ist Deutschland allen- 
falls imstande, abzuhalten, wenn seine Politik richtig geleitet wird. Dabei 
ist vorausgesetzt, daß Deutschland auf die Unterstützung der vollen öster- 
reichisch-ungarischen Armee rechnen kann. Diese Bedingung des Erfolges 
fällt fort, wenn sich Oesterreich infolge der Haltung Italiens genötigt sähe, 
seine halbe Armee zur Deckung seiner italienischen Grenze zu verwenden. 
Das Ziel einer verständigen Dreibundspolitik muß also darauf gerichtet 
bleiben, den Verbleib Italiens im Dreibunde möglichst zu sichern und, wenn 
Italien in der Versuchung ist, aus finanziellen Gründen in dieser Beziehung 
zu schwanken, ihm seine Entschließung zu Gunsten des Dreibunds zu er- 
leichtern. Dies geschieht nicht, indem man Italien im Namen des Drei- 
bundes Daumschrauben ansetzt, um es zur Erhöhung seiner militärischen 
Leistungen zu zwingen. Das ist auch insofern unberechtigt, als Italien 
keine Dreibundsverpflichtung zu irgendeiner bestimmten Armeeziffer hat. Jede 
italienische Armee, die zur Verfügung der Dreibundspolitik steht, muß dieser 
willkommen sein; wir halten es daher nicht für klug, eine Pression auf 
Italien dahin auszuüben, daß es mehr Soldaten stellen solle, als seine Fi- 
nanzen ihm erlauben.“ 
19. Mai. (Abgeordnetenhaus.) Verhandlung über einen 
Antrag der deutschfreisinnigen Partei betr. Abänderung des Land- 
tagswahlrechts und Neueinteilung der Wahlkreise. 
20. Mai. Der Abgeordnete v. Kleist-Retzow f. 
20. Mai. Der Reichskanzler läßt dem Vorstande des Vereins 
zur Beförderung des Gewerbefleißes in Berlin auf dessen Eingabe 
betreffs einer internationalen Ausstellung in Berlin nachstehenden 
Bescheid zugehen: 
Karlsbad, den 20. Mai 1892. 
Dem Vorstande beehre ich mich auf die gefällige Eingabe vom 26. April 
d. J., in welcher derselbe mein Interesse für eine Weltausstellung in An- 
Europ Geschichtskalender. Bd. XXXIII. 7
	        
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