Das Dentsche Reith und seine einzelnen Glieder. (Nov. 14. -21.) 153
heißen, wo sie die soziale Existenzermöglichung von in politischem oder ge-
werkschaftlichen Kampf gemaßregelten Genossen bezwecken oder wo sie dazu
dienen sollen, die Agitation zu erleichtern, sie von allen äußeren Einflüssen
der Gegner zu befreien. Der Boykott ist für den politischen und gewerk-
schaftlichen Kampf der Arbeiterklasse eine Waffe, die nur unter der aktiven
Teilnahme der großen, heute noch nicht organisierten Massen wirksam in
Anwendung gebracht werden kann... Unter keinen Umständen aber darf
der Boykott zu einem Mittel der politischen oder wirtschaftlichen Ver-
gewaltigung werden zu dem Zwecke, die politische Gesinnung oder persön-
liche Ueberzeugung zu strafen, oder die äußere Bekundung einer politischen
Meinung oder deren Bethätigung zu erzwingen. Die Kontroll= oder Schutz-
marke hat den Zweck, dem Käufer einer Ware zu zeigen, daß bei deren
Herstellung die jeweiligen Forderungen der betreffenden Gewerkschaftsorgani-
sation in Bezug auf Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen erfüllt werden
Nur in diesem Sinne, als eine der Waffen im gewerkschaftlichen Kampfe,
kann die Kontroll= oder Schutzmarke die Unterstützung der Parteigenossen
beanspruchen. Die Parteigenossen haben gegen die Kontrollmarke sich
in allen den Fällen zu erklären, wo ihrer Einsührung der Gedanke zu
Grunde liegt, mittelst derselben den gewerkschaftlichen Kampf überflüssig zu
machen, oder wo sie als direktes Zwangsmittel dazu dienen soll, jungen
oder schwachen Organisationen Mitglieder zuzuführen oder zu erhalten
3. Zum „Staatssozialismus“ wird von beiden Gegnern Liebknecht
und Vollmar gemeinschaftlich eingebracht:
„Der Parteitag erklärt: Die Sozialdemokratie hat mit dem soge-
nannten Staatssozialismus nichts gemein. Der sogenannte Staatssozialis-=
mus, insoweit er auf die Verstaatlichung zu fiskalischen Zwecken hinzielt,
will den Staat an die Stelle der Privatkapitalisten setzen und ihm die
Macht geben, dem arbeitenden Volk das Doppeljoch der ökonomischen Aus-
beutung und der politischen Sklaverei aufzulegen. Der sogenannte Staats-
sozialismus, insoweit er sich mit Sozialreform oder Verbesserung der Lage
der arbeitenden Klassen beschäftigt, ist ein System von Halbheiten, das
seine Entstehung der Furcht vor der Sozialdemokratie verdankt. Er be-
zweckt, durch kleine Kozessionen und allerlei Palliativmittel die Arbeiter-
klasse der Sozialdemokratie zu entfremden und diese dadurch zu lähmen.
Die Sozialdemokratie hat nie verschmäht, solche staatliche Maßregeln zu
fordern oder — falls von anderer Seite vorgeschlagen — zu billigen, welche
eine Hebung der Lage der Arbeiterklasse unter dem gegenwärtigen Wirt-
schaftssystem herbeiführen könnten. Sie betrachtet solche Maßregeln aber
nur als kleine Abschlagszahlungen, die ihr Streben nach der sozialistischen
Neugestaltung des Staats und der Gesellschaft in keiner Weise beirren.
Die Sozialdemokratie ist ihrem Wesen nach revolutionär, der Staats-
sozialismus konservativ. Sozialdemokratie und Staatssozialismus sind un-
versöhnliche Gegensätze.
W. Liebknecht. Vollmar.“
4) Zur Krise: „Es liegt in der Natur des Kapitalismus, daß die
von ihm erzeugten Krisen und Arbeitsunterbrechungen immer allgemeiner,
andauernder und verheerender werden; daß die Aufsaugung des Eigentums,
die Enteignung und Verelendung der sogenannten mittleren Gesellschafts-
schichten mit stets wachsender Geschwindigkeit vor sich geht; und daß durch
Hungerlöhne und Arbeitslosigkeit für immer weitere Kreise ein Notstand in
Permanenz geschaffen wird. Die notwendige Folge dieser zerstörenden Wirk-
samkeit des Kapitalismus ist, daß die Zahl der Eigentums= und Erwerbs-
losen sich fortwährend und in zunehmender Schnelle vermehrt. Obgleich
diese Folgen des Kapitalismus unter der Herrschaft des Kapitalismus nicht