Das Dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 23.) 179
direkt berührt — von dem Liter 8169 Pfennig, also von dem Seidel noch
nicht ½ Pfennig mehr Steuer erhoben wird, als bisher — eine Versteue-
rung, die im Ausschank wahrscheinlich nicht zur Geltung kommen wird, und
die schließlich doch gering erscheint, wenn man bedenkt, daß in Deutschland
jährlich für Bier und Trinkbranntwein an 2 Milliarden ausgegeben werden.
Wir find bisher — und ich berufe mich da auf die statistischen Arbeiten
des Professors Kauffmann — der Staat gewesen, ausgenommen Oesterreich-
Ungarn, der am wenigsten für seine Wehrkraft ausgegeben hat. Wir werden
auch nach dieser Vorlage, wenn sie angenommen wird, in derselben Lage
bleiben, vielleicht, daß dann auch Italien hinter uns zurücktritt. Es ist also
auch aus dem Vergleich mit anderen Staaten die Behauptung einer anor-
malen, unerträglichen Belastung nicht herzuleiten.
Militärisch wollen wir die Mittel dadurch aufbringen, daß wir zur
allgemeinen Wehrpflicht zurückgreifen. Wir wollen nicht soweit auf sie zurück-
greifen, daß wir alles das, was nach den Listen über die Resultate des
Ersatzgeschäftes allenfalls brauchbar wäre, nehmen, und wir wollen die be-
stehenden Reklamationsgründe in nichts beschränken. Wir wollen sorgsam
in der Auswahl sein und den Begriff „Tauglichkeit“ nicht ausdehnen, son-
dern wollen uns mit den Leuten begnügen, die wir mit gutem Gewissen
nach ärztlicher Prüfung für tauglich halten. Es wird also immerhin in
Bezug auf die allgemeine Wehrpflicht, wenn sie auch durchgeführt wird,
eine Beschränkung insofern gegen den Begriff der allgemeinen Wehrpflicht
eintreten, als wir nicht bis zum Aeußersten gehen, sondern einen Spielraum
übrig lassen. Das Gesetz über die Ersatzverteilung, das ich die Ehre habe,
Ihnen vorzulegen, ist, wie gesagt, die Voraussetzung des Gesetzes über die
Friedenspräsenzstärke. Es haben sich im Laufe der Jahre auch in Bezug
auf die Ersatzverteilung Uebelstände herausgestellt, die nicht länger fort-
dauern können. (Sehr richtig! rechts.)
Das Gesetz schreibt vor, daß der Ersatz nach der Bevölkerungszahl
verteilt wird. Die Folge davon ist, daß in denjenigen großen Städten,
Handelsplätzen, wo viel Zuzug männlicher Iugend ist, eine große Anzahl
von jungen Leuten zur Musterung gehen, eine größere Anzahl, als sie der
Bevölkerungsziffer entspricht. Das ist soweit gegangen, daß das Vorkommen
der Militärpflichtigen auf 1000 Seelen der Bevölkerung geschwankt hat
zwischen 7,73 im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen und 13,3 in Ham-
burg, und innerhalb der Anteile der unter preußischer Verwaltung stehenden
Bezirke zwischen 7,71 und 10,35. Die Militärpflichtigen — also die, die
neu ausgehoben wurden — variieren, wie die Motive zur Vorlage angeben,
in ähnlichen Zahlen. In der freien und Hansestadt Bremen sind in einem
Jahre 175 Rekruten für den aktiven Dienst gestellt, in Sondershausen 487;
innerhalb der preußischen Anteile hat die Zahl geschwankt zwischen 503 und
320, immer auf das Tausend gerechnet.
Ein anderer Mißstand, der ausgeglichen werden muß, beruht auf der
Anrechnung der Freiwilligen. Nach der Bestimmung des Gesetzes werden
die Freiwilligen da angerechnet, wo sie sich stellen, was zur Folge gehabt
hat, daß in der Universitätsstadt Göttingen im Jahre 1866 so viel Frei-
willige vom Vorjahre abzurechnen waren, daß kein Rekrut ausgehoben
worden ist. Diese Mißstände zu heben ist der Zweck des einen Gesetzes.
Also einmal, wir wollen die allgemeine Wehrpflicht durchführen,
zweitens, wir wollen zu der zweijährigen Dienstzeit bei den Fußtruppen
übergehen, und verstehen die verbündeten Regierungen unter Fußtruppen
alle Truppen, ausgenommen Kavallerie und reitende Artillerie.
Wir würden die dreijährige Dienstzeit lieber behalten haben als
die zweijährige; aber wir müssen uns sagen, einmal haben wir die drei-
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