Das Dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 26. —30.) 187
lebendigen Verwertung harrenden Heils= und Glaubensschätze, je länger,
je mehr in den Gemeinden Geist und Leben werden und also die Kirche,
wie auf dem Grunde des apostolischen Glaubens, so in der Kraft der
Apostel sich baue, zum Heil der Welt und zur Ehre des dreieinigen Gottes!“
26. November. (Abgeordnetenhaus.) Die gesamten Steuer-
gesetze werden einer Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen.
Das Haus vertagt sich bis nach Weihnachten.
Ende November. Der deutsche Botschafter in Petersburg,
v. Schweinitz, verläßt seinen Posten; sein Nachfolger wird, in
Berücksichtigung eines persönlichen Wunsches des Zaren, General
v. Werder.
29. November. (Berlin.) Beginn des Prozesses Ahlwardt
wegen Verläumdung der Herren Löwe, Kühn und einer Anzahl
Büchsenmacher.
30. November. (Reichstag.) Bei der Etatsdebatte entwickelt
sich eine Debatte über die Militärvorlage.
Der Abgeordnete Richter sucht den Nachweis zu führen, daß
die bisherigen Wehrverhältnisse ausreichend seien und die Finanz-
lage und die wirtschaftlichen Verhältnisse eine weitere Steigerung
des Militäraufwandes nicht zuließen.
Redner schilderte insbesondere die Widersprüche in den Reden Caprivis
von 1891 und 1892, die Schwarzmalerei der auswärtigen Verhältnisse und
die Art, wie Graf Caprivi dasjenige unterschätzt, was seit 1870 zur Steige-
rung der Wehrkraft geschehen ist. In übersichtlicher Weise schilderte Redner
sodann die Verbesserungen des Kriegsmaterials und der Festungen, die Ent-
wickelung des Heeres und seine Personalverhältnisse. So hat die deutsche
Kriegsarmee sich mehr als verdreifacht. Dem gegenüber spottete Redner
über die Schilderungen möglicher Niederlagen von Seiten des Reichskanzlers,
welche ihn an die Septennatsbilderbogen von 1887 erinnerten.
Redner ging alsdann über auf den vorliegenden Etat und die neuen
Mehrforderungen für Wehrzwecke in demselben, durch welche eine Erhöhung
der Matrikularbeiträge um 35 Millionen Mark erforderlich wird. Weitere
Erhöhungen wird die Konsequenz der bisherigen Bewilligungen in den
nächsten Jahren erheischen. Dem steht gegenüber die Finanznot der Einzel-
staaten. Dann sprach Redner von der Beunruhigung der Tabakindustrie
durch Steuerprojekte und hielt dem Reichskanzler vor die ungerechtfertigt
leichte Art, mit welcher derselbe die neue Belastung des Bierverbrauchs in
seiner Rede vom Donnerstag dargestellt habe.
An die Schilderung der gesamten Steuerbelastung knüpfte Redner
eine Darstellung der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse und schloß
mit dem Hinweis darauf, daß eine Gefährdung der Kapitalkraft des Landes
durch die fortgesetzten Erhöhungen des Militäretats und die neuen Militär-
anleihen trotz vermehrter Soldaten auch für den Krieg die Wehrkraft des
Landes nicht zu stärken vermöge. „Der Herr Reichskanzler meinte wieder-
holt, der Zukunftskrieg werde an Schwere und Umfang, verglichen mit
früheren, nicht seines Gleichen suchen. Ich teile vollständig diese Anschau-
ung. Ich meine, daß in einem zukünftigen Kriege die Millionenheere als-