Das Neische Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 8.) 193
3. Wir wollen die Monarchie von Gottes Gnaden unangetastet er-
halten wissen und bekämpfen, bei gesetzlich gesicherter bürgerlicher Freiheit
für alle und bei wirksamer Beteiligung der Nation an der Gesetzgebung,
jeden Versuch, die Monarchie zu Gunsten eines parlamentarischen Regiments
zu beschränken.
4. Wir können nur eine solche Weiterbildung unseres öffentlichen
und privaten Rechts als segensreich anerkennen, welche, auf realen und ge-
schichtlich gegebenen Grundlagen fußend, den Bedürfnissen der Gegenwart
gerecht wird und damit die Stetigkeit unserer gesamten politischen, sozialen
und geistigen Entwickelung sichert. Wir erwarten, daß das neue bürgerliche
Gesetzbuch von deutsch-nationalem Rechtsbewußtsein getragen werde.
5. Für die gebotene Sparsamkeit bei allen öffentlichen Ausgaben in
Reich und Staat treten wir ein zur Erhaltung der wirtschaftlichen Wohl-
fahrt und der Steuerkraft des Volkes.
6. Wir sehen in der vollen Wehrkraft des deutschen Volkes eine un-
erläßliche Bedingung für die Machtstellung der Nation und für die Er-
haltung des Friedes.
7. Die maßvolle Fortführung einer zielbewußten Kolonialpolitik
unter dem u des Reiches werden wir unterstützen.
8. Wir stehen auf dem Boden der Allerhöchsten Botschaft vom 17.
November 1881, welche die Grundsätze des praktischen Christentums in der
Gesetzgebung zur Geltung bringt. Die auf Grund dieser Botschaft erlassenen
Gesetze, betreffend die Einrichtung von Krankenkassen, die Versicherung gegen
Unfall und die Invaliditäts= und Altersversicherung bedürfen der Verein-
fachung. Wie wir für die Besserung der Lage der Arbeiter, unter erheb-
licher Belastung der Arbeitgeber, eingetreten sind, so halten wir nach wie
vor die Stärkung des Mittelstandes in Stadt und Land und die Beseiti-
gung der Bevorzugungen des großen Geldkapitals für die dringendsten
Aufgaben der Sozialpolitik. Wir fordern ein wirksames Einschreiten der
Staatsgewalt gegen jede gemeinschädliche Erwerbsthätigkeit und gegen die
undeutsche Verletzung von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr.
9. Wir erstreben eine Gestaltung des Erb= und Familienrechtes,
welche die Erhaltung eines kräftigen Bauernstandes gewährleistet. Die Ein-
führung einer zweckentsprechenden Heimstätten-Gesetzgebung für den kleineren
Grundbesitz und die Ueberführung der auf dem Grundbesitz lastenden
Hypothekar-Verschuldung in zu amortisierende Rentenschuld erachten wir
als wünschenswert.
10. Für die Landwirtschaft, welche unter der Ungunst des Welt-
marktes, der internationalen Währungsverhältnisse und der inneren wirt-
schaftlichen Entwickelung leidet, ist der bestehende Zollschutz aufrecht zu er-
halten, im weiteren aber ein ausreichender Zollschutz für die Zukunft an-
zubahnen; auch ist für die Umgestaltung der Gesetzgebung, betreffend den
Unterstützungswohnsitz, im Sinne ausgleichender Gerechtigkeit Sorge zu
tragen.
11. Für die Industrie ist der durch die Konkurrenz des Auslandes
bedingte Zollschutz aufrecht zu erhalten und, wo nötig, zu verstärken.
12. Für das Handwerk erscheint vornehmlich die Einführung des
Befähigungsnachweises, die Stärkung der Innungen und Innungsverbände,
die Begründung und Förderung genossenschaftlicher Vereinigungen geboten.
Redlicher Handel und Gewerbebetrieb ist zu schützen durch Beschränkung
und Beaufsichtigung des Hausierhandels und der Abzahlungsgeschäfte, sowie
durch die Beseitigung der Wanderlager und der Wanderauktionen.
13. Die Börsengeschäfte sind durch eine Börsenordnung wirksamer
staatlicher Aufsicht zu unterstellen; insbesondere ist dem Mißbrauch des Zeit-
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXIII 13