Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

208 Das PDenische Reih und seine einzelnen Glieder. (Dezember 13.) 
partei) befürworten die Vorlage. Abg. v. Bennigsen meint, daß 
die neuen Steuern nicht ausreichen würden zur Deckung des Be- 
darfs, sondern daß 70 Millionen erforderlich seien. In ihrem 
ganzen Umfange könne die Regierung auf Annahme der Vorlage 
nicht rechnen. Die zweijährige Dienstzeit müsse gesetzlich festgelegt 
werden. Alle Parteien des Hauses fühlten die Verantwortung des 
Entschlusses. Die Regierung soll sich klar machen, was das Wesent- 
lichste und Notwendigste der Vorlage sei. Graf Caprivi dankt 
den Vorrednern für die Art, wie sie die Regierung verteidigt haben. 
Er teilt den Inhalt der militärischen Gutachten mit, die die Re- 
gierung eingeholt habe. Bei Mangel an Offizieren, falls er wirk- 
lich eintreten sollte, was aber nicht anzunehmen sei, würden die 
Funktionen an Feldwebel übertragen werden. Die Erhöhung der 
Etats wie der vierten Bataillone seien unumgänglich bei Einfüh- 
rung der zweijährigen Dienstzeit. Abg. Bebel gegen die Vorlage. 
Abg. Graf Preysing: 
Auf dem Boden dieser Vorlage eine Verständigung zu finden, ist 
schwer. Meine politischen Freunde und ich sind allerdings bereit, in Kom- 
missionsberatungen einzutreten, die Motive zu hören, die der Oeffentlichkeit 
sich entziehen, sachlich zu prüfsen. Aber ich muß auf das ernstlichste be- 
zweifeln, daß eine schließliche Vereinbarung möglich sei auf der Basis dieser 
Vorlage. 
14. Dezember. (Reichstag.) Fortsetzung. Abg. Haußmann 
(Volkspartei) gegen die Vorlage. Abg. v. Manteuffel verteidigt 
den konservativen Parteitag; das Wort „demagogisch“ sei nur im 
Sinne von „volkstümlich“ dort gebraucht. Der Reichskanzler 
erwidert, er habe aus dem Bericht der „Kreuzzeitung“ entnommen, 
daß die Partei sich bis auf einen gewissen Grad mit Herrn Ahl- 
wardt identifiziere. Abg. v. Stauffenberg weist darauf hin, daß 
die verbündeten Mächte, Oesterreich und Italien, sehr viel weniger 
für ihre Armee thun, die dortige Presse aber sehr eifrig für die 
deutsche Militärvorlage eintritt. Er bezweifelt ferner, ob die 60,000 
jährlich einzustellenden Rekruten wirklich vollständig zum Militär- 
dienst tauglich sein würden. Abg. Lieber (Zentr.) bittet sowohl 
die verbündeten Regierungen als den hohen Reichstag, sich darüber 
gar keiner Täuschung hingeben zu wollen, daß wir weder die Vorlage, wie 
sie jetzt liegt, ihrem ganzen Umfang nach und auf einmal — was selbst 
auch Herr von Bennigsen nicht will — annehmen können, noch auch ge- 
sonnen sind, auf dem Boden dieser vollständigen Neuorganisation des Heeres 
einen Anfang zu bewilligen 
Die Sache liegt einfach so, daß es sich darum handelt: können, sollen 
und dürfen wir uns schon im Frieden zu Grunde richten, um für einen 
etwaigen Krieg gerüstet zu sein?! Anders können wir die Fragestellung nicht
	        
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