220 Bie Geskerreichisch-Augarische Monarchie. (April 10.—12.)
nicht voll befriedigt sei, weil das Bedürfnis nach Regelung der
Schulverhältnisse immer dringender werde. In ähnlicher Weise
äußert sich der Klub--Obmann Repp. Der Klub-Obmann Wildauer
erklärt, die Liberalen wollten die endgültige Annahme des Ent-
wurfes, obschon er eine Reihe von Bestimmungen parteimäßigen
Charakters enthalte, nicht hindern, weil er sich in dem Rahmen
des Reichsvolkschulgesetzes bewege und weil die Beendigung des
Schulkampfes von hohem Werte sei. In der Nachmittagssitzung
gelangt das die öffentlichen Volksschulen betreffende Gesetz ohne
Debatte zur Annahme.
10. April. Kaiser Franz Joseph reist nach München.
12. April. Schluß des böhmischen Landtages. Der Klub
der deutschen Abgeordneten richtet ein Manifest an das
deutsche Volk Böhmens, das folgendermaßen lautet:
An das deutsche Volk in Böhmen!
Auf dem denkwürdigen Tage zu Teplitz am 9. Februar 1890 habt
Ihr die von den Männern Eures Vertrauens am Schlusse der bekannten
Wiener Konferenzen getroffenen, durch die übereinstimmenden Beschlüsse der
drei beteiligten Parteien vom 26. Jänner 1890 zum allseitig verbindlichen
Vertrage erhobenen Vereinbarungen kraft erhebender einmütiger Abstimmun
gutgeheißen. Nicht ohne Opfer von unserer Seite vollzog sich der Abschluß
solchen Vertrages; Ihr aber habt diese Opfer freudig gebracht dem großen
patriotischen Ziele, die nationalen Zerwürfnisse, welche unsere gesamte öf-
fentliche Lage im Reiche und im Lande vergiften, zu beseitigen und die Zu-
kunft unseres Heimatslandes unter das Zeichen friedlichen Einverständnisses
und Zusammenwirkens beider Volksstämme zu stellen. Ihr wißt es, mit
welchem Eifer und welcher Hingebung wir unsere volle Kraft der Ausfüh-
rung des großen Vertragswerks zuwendeten; allein gegenüber dem leiden-
schaftlichen Widerstande der immer weiter um sich greifenden jungtschechischen
Opposition und bei der mehr und mehr erlahmenden Kraft und Ausdauer
der alttschechischen Vertragsgenossen vermochten wir nur mühsam und schritt-
weise vorwärts zu gelangen.
Wohl ging die Regierung schon am 3. Februar 1890 an die Ein-
führung der vereinbarten Einrichtungen beim Ober-Landesgericht; allein die
Neugestaltungen des Landes-Schulrats und des Landes-Kulturrats nahmen
die Landtagssessionen der Jahre 1890 und 1891 vollauf in Anspruch; die
an die verfassungsmäßige Bedingung gualifizierter Majorität gebundenen
Teile des Ausgleichs mußten zurückgestellt werden, und die Vorarbeiten für
die nationale Abgrenzung der Bezirke nahmen infolge der Zurückhaltung der
vom Landesausschusse abgeheischten Begutachtung der von den einzelnen Kreis-
gerichten eingelangten Vorlagen einen so verschleppten Verlauf, daß am
Schlusse des Monats Februar 1892 lediglich die zwei Fälle der Bildung der
neuen Bezirke Weckelsdorf und Gabel zur Spruchreife gediehen waren.
Dieser bedauerlichen Verzögerung im Fortgange der Durchführung
des Ausgleichs ging ein bedenklicher Wandel in der Gestnnung und Haltung
der beiden Ausgleichsparteien der Alttschechen und des konservativen Groß-
grundbesitzes zur Seite und fand in den Erklärungen dieser Parteien vom
14. Februar und 5. März d. J. unverschleierten Ausdruck, welche sich in
dem Plane der Vertagung des Ausgleichs auf unbestimmbare Zeit zusammen-