Hie Gesterreichisch-Angarische Monarchie. (November 18.) 239
auch vom österreichischen Standpunkte nicht nötig. Hierauf besprach Redner
den Einfluß des Dreibundes auf die politischen Verhältnisse in Prag. Die
tschechische Nation habe von jeher ein Mißtrauen nicht so sehr gegen Deutsch-
land, als gegen Preußen. Der Dreibund habe aber auch eine antinationale
und speziell antiböhmische Spitze. Redner zitierte zum Beweis der Feind-
seligkeit gegen die Slaven eine Broschüre von Doktor Mathias Ratkowsky,
Juristenpräfekten am Theresianum, „Das Recht und die Pflicht, die Tschechen
und Slovenen zu germanifieren“ (Hört! Hört! bei den Jungtschechen,
Rufe: Renegat!) Abgeordneter Ghon: Das hat ja ein Tscheche geschrieben!
Abgeordneter Masaryk zitiert einige Ausschüsse von Lagarde, welcher Oester-
reich als eine Kolonie Deutschlands betrachtet, und sagt, Oesterreich habe
für sich allein keine Existenzberechtigung, es müssen alle Slaven und die
Magyaren germanisiert werden, denn sie seien nur eine Last für Europa.
Dieser Mann sei Professor an der Göttinger Universität und protestantischer
Theologe. Diese Propaganda habe in Deutschland bereits festen Boden ge-
faßt. Abgeordneter Neuwirth: Wo denn? Das gehört in die Leihbibliothek!
Abgeordneter Masaryk: Die Idee, Oesterreich an Deutschland anzugliedern,
habe in Deutschland bereits ganz greifbare politische Formen angenommen.
Dies zeige sich ja schon von Hegel angefangen, der die Deutschen als das
alleinseligmachende Volk betrachtet, bis auf Hartmann, der es als ein Pro-
gramm hinstellt, alle Nichtdeutschen auszurotten. Bismarck hat die euro-
päische Politik korrumpiert. Die brutale Faust haben die Russen von den
Deutschen gelernt. Alle diese Thatsachen stellen die Existenz Oesterreichs,
wie es sich auf historischer Grundlage entwickelt hat, in Frage. Die jung-
tschechische Bewegung ist nur eine Antwort auf diese Tendenzen. (Lebhafter
Beifall seitens der Jungtschechen.)
Abgeordneter Dr. Menger: Die Rede des Abgeordneten Masaryk war
von zügellosem Hasse gegen das deutsche Volk getragen. (Lebhafte Zustim-
mung links.) Was würden Sie sagen, wenn wir ähnliche Vorwürfe den
Tschechen machen würden, die hier einem Volke gemacht wurden, dem an-
zugehören wir als unseren höchsten Stolz ansehen (Lebhafter Beifall links.)
und dessen Herrscher der treueste Bundesgenosse unseres Kaisers ist! Die
Ausführungen des Abgeordneten Masaryk waren der wildeste Ausbruch des
Nationalitätenhasses, der vielleicht je im österreichischen Parlament vorge-
kommen ist. (Lebhafte Zustimmung links.) Der Abgeordnete Masaryk be-
ruft sich auf Lagarde und Hartmann, welche philosophische Schriftsteller sind
und im praktischen politischen Leben auch nicht die geringste Rolle gespielt
haben. Das Deutsche Reich hat sich vorsichtig ferngehalten von den inneren
Kämpfen Oesterreichs, und gerade Bismarck, der hier in einer Weise ge-
schmäht und beschimpft wurde, welche denn doch der Anstand zu vermeiden
hätte gebieten sollen (Beifall links), hat in entschiedener Weise Partei ge-
nommen gegen jeden Beweis der Sympathie für die Deutschen in Oesterreich.
Der Abgeordnete Masaryk hat ferner eine Broschüre des Dr. Ratkowski an-
geführt, eines geborenen Tschechen, der nicht auf unsere Rechnung kommt,
eines Mannes, der keine Bedeutung hat im öffentlichen Leben. Abgeordneter
Masaryk muß wissen, daß die Behandlung mit Sibirien, den Gefängnissen
und Transporten, wie sie Kennan geschildert hat, schon im Jahre 1831 von
Rußland gegen die polnischen Gefangenen in vollem Maße angewendet
wurde. Wie kann er da sagen, daß Rußland die Behandlung der Polen
von Preußen gelernt hat? Was an Autonomie in Oesterreich besteht, ist
durch uns geschaffen worden. Was haben Sie denn geschaffen, die Sie durch
zwölf Jahre an der Arbeit waren? Nichts als Gesetze, durch welche die
willkürliche Macht der Regierung ins ganz Unermeßliche gesteigert wurde.
Was bezweckt dieses angebliche tschechische Staatsrecht? Einen Staat, in dem