Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

SErankreitj. (Oktober 2.—31.) 271 
dankt Liebknecht namens des französischen Proletariats, das mit dem deut- 
schen Proletariat unzerreißbar verbunden sei und bringt ein Hoch auf das 
arbeitende Deutschland aus. 
Liebknecht wird am 26. zum Präsidenten der Versammlung 
ernannt. Dann folgt eine hestige Erörterung, anläßlich Elsaß- 
Lothringens. Liebknecht bemerkt: 
„Machet eure demokratisch-soziale Republik und lasset uns die 
unfrige vorbereiten. Die elsäsische Frage wird gelöst werden, doch kann 
dieselbe nicht ein Krieg zur Lösung bringen. Angenommen, ihr nehmet 
Elsaß zurück, so wird der Krieg sofort wieder beginnen. Uebrigens sind 
alle sozialistischen Freunde im Reichstage bereit, den Protest zu erneuern, 
welchen 1870 und 1871 Bebel und ich erhoben haben. Der Sozialismus 
in Frankreich und Deutschland und dessen Sieg allein können die elsässische 
Frage friedlich lösen.“ 
In einem Interview erklärt Liebknecht: 
Der Kaiser Wilhelm ist friedlich gesinnt und Herr von Caprivi 
gleichfalls. Ich freue mich sehr, so reden zu können. Denn man wird 
mich, wie ich hoffe, nicht im Verdacht der Zärtlichkeit für das autokratische 
und militärische Regime haben. Wer soll also den Krieg wollen? Einzig 
ein absoluter Monarch könnte ihn beschließen, ohne daß er den Widerstand 
seines Volkes besiegen müßte. Und ich sehe lediglich den russischen Zaren 
in dieser Lage, dessen Verbündete — seltsame Ironie — die französische 
Republik ist. Aber nein, ich hoffe bestimmt, daß es keinen Krieg geben wird. 
2. Oktober. Ernest Renan f. 
9. August—7. Oktober. Gefechte in Dahomey. 
26. Oktober. Der in dem Streik von Carmaux zum Schieds- 
richter gewählte Ministerpräsident Loubet entscheidet: 
Calvignac wird in seinen Posten als Arbeiter der Grubengesellschaft 
wieder eingesetzt, ihm für die ganze Dauer seiner Amtsthätigkeit als Maire 
von Carmaux aber Urlaub erteilt; die Grubengesellschaft nimmt alle 
strikenden Arbeiter mit Ausnahme der durch den Gerichtshof von Albi ver- 
urteilten wieder in Arbeit; Direktor Humblot bleibt in seiner dienstlichen 
tellung. 
Diesen Schiedsspruch lehnt die Arbeiterschaft in Carmaux in 
einer Versammlung einstimmig ab und beschließt Fortsetzung des 
Streiks, weil die wegen Gewaltthätigkeiten verurteilten Bergleute 
nicht begnadigt find. 
27. Oktober. Der Arbeitsminister Viette erklärt in der 
Kammer, die Regierung würde die verurteilten Arbeiter in Carmaux 
begnadigt haben, wenn die Ausständigen von Carmaux die Arbeit 
wieder aufgenommen hätten. Die Erteilung einer Amnestie müsse 
die Regierung ablehnen. 
31. Oktober. Die Bergarbeiter in Carmaux beschließen Auf- 
hören des Streiks.
	        
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