Rußland. (August 27.—30.) 301
beziehungsweise mit Gefängnis von einem bis sechs Monaten be-
straft werden soll. Außerdem haben die Käufer den Preisunter-
schied zu ersetzen, um welchen sie die Verkäufer übervorteilt haben.
27. August. Abberufung des deutschen Militärbevollmäch-
tigten Herrn v. Villaume.
30. August. Note Rußlands an den russischen Geschäftsträger
in Konstantinopel bezw. an die Pforte.
St. Petersburg, 18. August.
Herr Geschäftsträger Die Kommentare, zu welchen der jüngste Be-
such Stambulow's auf allen Seiten Anlaß gegeben und das Aussehen,
welches er im Publikum im allgemeinen und in der Presse verursacht
hat, veranlassen uns, die Aufmerksamkeit der hohen Pforte auf den
Eindruck zu lenken, welchen dieser Zwischenfall auf die Kaiserliche Re-
gierung gemacht hat. Ohne ihm irgend eine übertriebene Bedeutung
eizulegen, können wir nicht umhin, unserem Bedauern darüber Ausdruck
zu geben. Ihre Mitteilungen haben uns auf dem Laufenden gehalten über
die Ankunft Stambulow's am Bosporus, den ihm gewährten Empfang und
die vertraulichen Mitteilungen, welche Ihnen über die Frage seitens des
ottomanischen Ministers und des Sultans selbst gemacht worden sind. Der
türkische Botschafter in St. Petersburg, Hasni Pascha, hat uns ebenfalls
auf Grund von Instruktionen seines Souveräns erklärt, daß Stambulow
keinerlei Ermächtigung erhalten hatte, nach Konstantinopel zu kommen, daß
seine Reise eine Ueberraschung gewesen sei und daß sie in keiner Weise die
korrekte Haltung der Türkei gegenüber dem Stande der Dinge, welche in
Bulgarien im Gegensatze zu den Verträgen bestehen, ändern werde. Während
wir von diesen Versicherungen Kenntnis nehmen, können wir Ihnen nicht
verhehlen, daß sie uns nicht vollständig über den fraglichen Zwischenfall
aufgeklärt haben. Da die persönliche Bezeugung von Achtung und Ehren
für Stambulow in der Hauptstadt des ottomanischen Reichs so schnell folgte
auf die Hinrichtungen in Sofia und die Veröffentlichung angeblicher Doku-
mente, eines von einem Fälscher gegen die russische Regierung gerichteten
Werkes, durch eine bulgarische Zeitung, die „Swoboda“, so mußte jene be-
rechtigte Empfindlichkeiten erregen. Die Reisen des bulgarischen Diktators
waren offenbar darauf berechnet, die Aufmerksamkeit von dem peinlichen
Eindruck, den seine letzten Handlungen hervorgerufen haben, abzulenken
und durch den Anschein eines politischen Erfolgs das Prestige und die
Autorität seiner Macht zu erhöhen. Indem die ottomanische Regierung sich
zu diesem Manöver hergab, unwillkürlich, wie wir gern glauben möchten,
hat sie dem Regime der Usurpation in dem Fürstentume eine Ermutigung
gewährt, einem Regime, dessen offizielles Bestehen von Europa nicht an-
erkannt worden ist. Auch glauben wir nicht, daß der Empfang der Herren
Grekow und Natschewitsch als Präzedenz in diesem Falle dienen konnte; im
Gegenteil scheint uns dieser den durch den letzten Zwischenfall hervor-
gerufenen Eindruck eher zu verstärken, als zu vermindern. Indem die
ottomanische Regierung auf diese Weise ihre Handlungen der Hflichkeit
gegenüber den bulgarischen Politikern bis zu Stambulow selbst steigerte,
hat sie den Schein erweckt, als ob sie indirekt das jetzt unglücklicher Weise
in Sofia herrschende System zu sanktionieren und so die politische Unsicher-
heit einer Ordnung der Dinge fortzusetzen wünsche, welche allgemein als
eine beständige Gefahr für die Sicherheit und den Frieden Europas an-
gesehen wird. Auch scheint die ottomanische Regierung durch den Empfang