Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

Pulsarien. (Juli 27.) 309 
Dazu schreibt das „Journal de St. Petersbourg“: 
„Noch war in der Affaire Beltscheff das Urteil nicht gesprochen, als 
verschiedene ausländische Blätter, und unter diesen solche, die als ernsthaft 
gelten, sich wie auf ein gegebenes Signal in Schmähungen an die Adresse Ruß- 
lands ergingen. Wir antworten gewohnheitsmäßig nicht auf die systematischen 
Verleumdungen und beschränken uns darauf, wenn die Gelegenheit dazu sich 
darbietet, auf Machenschaften hinzuweisen, denen offenkundiger Betrug anhaftet. 
Dieser Fall liegt zur Zeit vor. Es ist wahrscheinlich, daß die erwähnten Blätter, 
die ganz offenbar apokryphen Schriftstücke, die in dem in Frage stehenden Pro- 
zesse eine Rolle gespielt haben, nicht in ihre Spalten aufgenommen haben 
würden, wenn diese Schriftstücke ihnen von den Agenturen mitgeteilt 
worden wären, welche eine gewisse Presse über die Dinge im Orient unter- 
richten und auf die Leichtgläubigkeit des Publikums spekulieren. Jetzt, wo 
dieses Werk von Fälschern in Sofia eine amtliche Stelle gefunden hat, 
welche ihm ihre Sanktion erteilt hat, bieten ihm die eben genannten 
Blätter, und in ihrer Gefolgschaft andere, in ihren Spalten die ausgedehn- 
teste Gastfreundschaft. Ohne mit der Wimper zu zucken, teilen sie ihren 
Lesern mit, daß ein Erlaß der russischen Regierung existiert, der die An- 
weisung giebt, den Prinzen Ferdinand von Coburg als außerhalb des Ge- 
setzes stehend zu betrachten. Diese lächerliche Instruktion soll durch eine 
amtliche chiffrierte Depesche erteilt worden sein, welche wörtlich citiert wird 
mit anderen Aktenstücken, die nicht minder gefälscht sind, aber von den 
Richtern in Sofia als authentisch angenommen wurden. Eine solche Mysti- 
fikation würde in den Bereich der Lächerlichkeit gehören, wenn es sich nicht 
dabei um Todesstrafen handelte, die ein Gerichtshof auf Grund von solchen 
Aktenstücken ausgesprochen hat, und um ein Volk, welches einem solchen 
Regime unter Hintansetzung alles Rechtes und aller Verträge unterworfen 
ist. Was die Journale betrifft, die hieraus eine Waffe gegen Rußland 
schmieden, so verdienen sie, an Treu und Glauben und an die Selbstachtung 
erinnert zu werden.“ 
Hierauf antwortet die „Agence Balcanique“, das „Journal 
de St. Petersbourg“ beabsichtige, mit seinen Auslassungen über 
den Beltscheff-Prozeß die öffentliche Meinung nur irre zu führen, 
indem es behaupte, daß das Kriegsgericht beeinflußt gewesen sei 
durch die Veröffentlichung von Schriftstücken, die sich hinterher als 
apokryph herausgestellt hätten. Das sei eine böswillige Tendenz. 
Der Urteilsspruch der Richter habe in keiner Weise beeinflußt werden 
können, da die fraglichen Schriftstücke den Prozeßakten nicht beigefügt und 
den Richtern daher gar nicht bekannt gewesen seien. Im Uebrigen seien die 
in dem Tagebuch Milarows enthaltenen, von der Anklagebehörde vorgelegten 
und durch Milarow und die übrigen Angeklagten in öffentlicher Sitzung 
bestätigten Enthüllungen von hinreichender Beweiskraft und wiesen unwider- 
leglich nach, daß Agitationen der russischen Regierung stattgefunden hätten, 
und daß dieselben durch deren Agenten Hitrowo, Aristow, Kristow erfolgt 
seien, welche Geld geliefert und die Ermordungspläne gemacht hätten. Letztere 
seien durch den Grafen Ignatiew und Zankow mit Zustimmung der russischen 
Regierung gebilligt worden. Was die Schriftstücke selber anbetreffe, so seien 
dieselben keineswegs aus Anlaß des Prozesses erfunden, sondern von einem 
russischen Beamten, der sich „Rousky“ unterzeichnet habe, mitgeteilt und in 
den Zeitungen veröffentlicht worden. Uebrigens bestätigten die vorausge- 
gangenen Ereignisse in ihren Einzelheiten durchaus die in diesen Akten- 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.