Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

310 Bulgarien. (August 10. — Dezember 19.) 
stücken enthaltenen Enthüllungen. Die Erklärung, daß Prinz Ferdinand 
als außerhalb des Gesetzes stehend zu betrachten sei, finde ihre vollinhaltliche 
Bestätigung in dem Tagebuche Milaroffs, Die unparteiische öffentliche Mei- 
nung hege keinen Zweifel darüber, daß die beklagenswerten Ereignisse, welche 
sich in Bulgarien abspielten, den Aufreizungen und Umtrieben Rußlands 
zuwtschreiben seien und daß Rußland alle und jede Verantwortung dafür 
zufalle. 
10. August. Rückkehr des Fürsten Ferdinand nach Bulgarien. 
12.—13. August. Besuch des Ministerpräsidenten Stambulow 
in Konstantinopel. Vgl. Türkei. 
27. August. (Philippopel.) Eröffnung der Landesausstel- 
lung durch den Prinzen Ferdinand. Die Minister und sämtliche 
Konsuln, ausgenommen der französische, wohnen der Feierlichkeit bei. 
Kaiser Franz Joseph und Fürst Ferdinand wechseln in sehr warmem 
Ton gehaltene Depeschen anläßlich der Ausstellung. 
27. Oktober. (Sofia.) Die dritte Session der Sobranje wird 
durch den Prinzen Ferdinand feierlich eröffnet. 
Die vom Prinzen verlesene Thronrede konstatiert, daß das Land in 
normaler Weise fortschreite und sich entwickele und daß allgemeine Ordnung, 
Ruhe und Zufriedenheit herrschen. Auf seine Reise ins Ausland hinweisend, 
betonte Prinz Ferdinand die persönliche Sympathie und das Interesse der 
aufgeklärten Nationen und Regierungen für das tapfere bulgarische Volk 
und deren lebhaften Wunsch, die Bulgaren siegreich zu sehen im Kampfe 
zur Verteidigung ihrer Rechte und Autonomie. 
Die Thronrede hebt namentlich den herzlichen Empfang des Prinzen 
Ferdinands seitens des Kaisers Franz Josef und der Königin Victoria, 
sowie seitens der hervorragenden englischen Staatsmänner hervor, und weist 
auf das Wohlwollen des Sultans für das bulgarische Volk hin, das durch 
die dem ersten Rate des Prinzen erteilte Audienz, sowie durch die Ent- 
sendung eines besonderen Vertreters zur Landesausstellung in Philippopel 
seinen Ausdruck gefunden habe. Es seien hierdurch die zwischen dem Sultan 
und seinen Vasallen bestehenden Bande der Freundschaft noch enger geknüpft 
worden. Die Ausstellung sei ein friedlicher Sieg und ein Beweis des fried- 
lichen, arbeitsamen Charakters der bulgarischen Nation; dieselbe werde zur 
Hebung der Wohlfahrt des Landes in hohem Maße beitragen. Die Thron- 
rede dankt den einheimischen und den fremden Ausstellern für ihre Mit- 
wirkung und erwähnt sodann, daß die Regierung zur Bedeckung der bereits 
bewilligten Kosten für Eisenbahnbauten und Hafenbauten in Burgas und 
Varna ein Anlehen von 145 Millionen Francs abgeschlossen habe. Zum 
Schlusse werden Gesetzentwürfe über das Vertragsrecht, über landwirtschaft- 
liche Kassen, Straßenbau und Schutz der Industrie angekündigt. 
19. Dezember. Die Sobranje nimmt eine Verfassungsände- 
rung, welche u. a. die Befreiung des Fürsten von der Zugehörig- 
keit zur orthodoxen Religion auch für die nächste Generation er- 
möglicht, an.
	        
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