Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

Nebersicht der politischen Eutwichelung des Jahres 1892. 361 
erschien auch ein historischer Ausgleich denkbar. Man entwarf ein 
Programm, wonach gleichzeitig die Armee einem Honveb-Denkmal 
und die Honveds dem Hentzi-Denkmal in Pest eine Huldigung dar- 
bringen sollten. Aber der magyarische Fanatismus zerriß im letzten 
Augenblick die Abmachung und benahm sich dabei so herausfordernd, 
daß Kaiser Franz Joseph, der noch im Sommer eine glänzende 
Feier zur Erinnerung an sein 25 jähriges ungarisches Krönungs- 
jubiläum in Empfang genommen, in demonstrativer Weise Pest 
verließ. 
Es scheint, daß es mehr diese Niederlage als prinzipielle 
politische Fragen gewesen sind, die den Ministerpräsidenten Grafen 
Szapary veranlaßten, seinen Abschied zu nehmen. Sein Nachfolger 
wurde der bisherige Finanzminister Dr. Wekerle. Die große Auf- 
gabe, vor der er steht, ist die Auseinandersetzung mit der katho- 
lischen Kirche. Nur etwas über die Hälfte, 52 % der ungarischen 
Bevölkerung sind römisch-katholisch, neben den Protestanten und 
Juden ist die griechisch-katholische Kirche stark vertreten. Da 
gibt es allenthalben Konflikte, namentlich in den Mischehen. Die 
Konfessionen suchen sich die Kinder gegenseitig wegzutaufen. Die 
liberale Majorität des Abgeordnetenhauses und das Ministerium 
haben eine Lösung im Sinne rein staatlicher Ordnung ins Auge 
gefaßt. Dr. Wekerle hat in feierlicher Weise das über sein Pro- 
gramm verkündet. Aber der katholische Klerus, verbunden mit 
einem Teil der Aristokratie ist gerüstet zum Widerstande und man 
sieht hier bedeutsamen Kämpfen entgegen. 
In Portugal hat der finanzielle Zusammenbruch, von dem 
wir bereits vor einem Jahre berichteten, im Jahre 1892 zu einem 
vollständigen Bankerott geführt. Ein Abkommen mit einem Gläu- 
biger-Komitee, das in Paris durch den portugiesischen Bevollmäch- 
tigten bereits abgeschlossen war und auf der Reduzierung der Zinsen 
auf die Hälfte basierte, wurde nicht ratifiziert, und statt dessen durch 
einfaches Dekret nur ein Drittel der Zinsen angewiesen. Die Gläu- 
biger ihrerseits wiesen vielfach diese Teilzahlung zurück. Eine sehr 
ernste Mahnung und Verwahrung der deutschen Regierung (vgl. 
Deutschland 4. Juli) erreichte keinen positiven Erfolg, da die Por- 
tugiesen völliges Unvermögen zur Zahlung behaupteten. 
P Ur- 
tugal.
	        
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