Nebersicht der pelitischen Eutwickelung des Jahres 1892. 373
aber die persönliche Bestechung und proklamierte endlich mit bru-
taler Offenheit, daß eben jede Partei für Wahlzwecke von ihren
Freunden Geld nehmen müsse. „Ohne die Panamagelder“, rief er
seinen republikanischen Parteifreunden zu, „säßen die meisten von
Ihnen nicht auf diesen Ihren Plätzen!“ Er mußte feine Demission
einreichen und wurde durch Tirard ersetzt. Mit Mühe und Not
wurde der Antrag, der Untersuchungskommission richterliche Befug-
nisse zu übertragen, von der Regierung abgeschlagen: das heiße
einen Wohlfahrtsausschuß über der Regierung einsetzen; es verstoße
gegen den Grundsatz der Teilung der Gewalten. Man eröffnete
neben der parlamentarischen Untersuchung jetzt ein formelles Gerichts-
verfahren gegen die angeschuldigten Parlamentarier, darunter Rou-
vier und Grevy, der Bruder des früheren Präsidenten; die Kam-
mern erteilten dazu ihre Genehmigung. Aber das alles war doch noch
nicht der Höhepunkt. In dem Augenblick, wo dieser Bericht nieder-
geschrieben wird, ist noch nicht abzusehen, wohin die ungeheure Er-
regung das französische Volk führen wird. Wäre die monarchistische
Partei nicht durch den Parteiwechsel der Kirche wenige Monate
vorher auseinandergesprengt worden, so hätten die Panama-Ent-
hüllungen vielleicht sehr schnell zu einer Katastrophe der Republik
geführt. Man sieht, von welcher unermeßlichen Bedeutung auch
für die weltliche Politik eines katholischen Landes das Papsttum ist.
In früheren Jahrgängen haben wir ausgeführt, wie sich die
auswärtige Politik Frankreichs in einem Widerspruch zwischen dem
Revanchegedanken und einer großen Kolonialpolitik bewegt. Der Mi-
nister Ferry hat es einmal versucht, den Revanchegedanken zu Gunsten
der Kolonialbestrebungen zurücktreten zu lassen. Aber die leise
Annäherung an Deutschland, die darin lag, kostete ihm sein Porte-
feuille. So bewegt sich Frankreich an den verschiedenen Stellen,
wo es sich in fremden Weltteilen festgesetzt hat, nur langsam vor-
wärts. In Tongking hält es mit Mühe und Not den Besitzstand
und die Ordnung aufrecht. Von Algier aus streckte es die Fühler
südwärts nach der Tuat-Oase aus, aber da darüber ein Konflikt
mit Marokko drohte, so wurde der Plan nicht weiter gefördert.
Eine größere Aktion fand statt an der Westküste Afrikas in Dahomey.
Die Franzosen gerieten mit dem König Behanzin in Konflikt und