34 Jas Pentsqhe Reich und seine einzelnen Slieder. (Januar 28.)
anschließen wolle, als wenn sie die Absicht habe, wesentliche Staatsrechte an
die Kirche zu übertragen. Ich glaube, wenn der Abgeordnete Dr. Windt-
horst noch lebte, wenn er hier wäre, er, der den Kampf um die Schule
lange Jahre voranus angekündigt hat — ich glaube nicht, daß er irgendwie
jemals daran gedacht hätte, daß es ihm so leicht sein würde, die Position
der Königeichen Staatsregierung gegen seine Forderungen zu erschüttern, —
daß er es sich nicht so leicht vorgestellt haben würde, zu erreichen, daß eins
der wichtigsten Bollwerke des Staates im ersten Ansturm preisgegeben, der
Staat gezwungen würde, auf diesem Gebiet vor ihm zu kapitulieren.
Meine Herren, es ist ein großes weltgeschichtliches Ereignis, welches
sich in diesen letzten Tagen hier in der Beratung über den Fortgang des
Bildungsstandes unserer Nation abspielt. Diese Bewegung der Geister
in Deutschland, wie sie sich hervordrängt und wie sie weitere Folgerungen
ziehen wird, ist ein weltgeschichtliches Ereignis von größter Bedeutung; und
nicht nur für Deutschland — denn die Bewegung des deutschen Geistes wirkt
auf die Bewegung der Geister aller zivilisierten Nationen zurück. —
Meine Herren, von dieser großen Bedeutung der vorliegenden Frage
scheint der Herr Kultusminister, wenigstens nach seinen Aeußerungen, die
er zuletzt gethan hat, noch nicht die richtige Bedeutung zu gewinnen. Der
Herr Kultusminister mag mir das nicht übelnehmen; es ist ja nicht per-
sönlich, aber ich meine, in seiner Vertretung der Vorlage stellt er die ganze
Sache so hin, als wenn es sich wirklich um ein ganz harmloses Ding
handelte; die Vorlage führt nach ihm bloß bestehende Verfassungsbestim-
mungen aus durch Kodifikation des bestehenden Verwaltungsrechts und der
Verwaltungspraxis. Meine Herren, daß es sich bei der Vorlage um sehr
viel tiefere Fragen handelt, daß es sich handelt um die Verwirklichung
des Ausspruches eines römischen Prälaten, daß die Schlachten zwischen
Protestantismus und Katholizismus auf märkischem Sande geschlagen werden
— meine Herren, meine politischen Freunde wenigstens durchströmt die
Ahnung, daß dieser Tag der Schlacht zwischen römischem und germanischem
Geist herangenaht ist.
Ich möchte auch bei dieser Gelegenheit bedauern, daß in diesem
schweren Kampfe, in welchem wir stehen, von vielen Seiten, auch von der
Ministerbank die Fechterkunststücke des Abgeordneten Windthorst wieder
hervorgeholt worden sind. Meine Herren, widerspricht man der Forderung,
daß man den Einfluß des Geistlichen auf die Volksbildung nicht in dem
Maße will, wie es sich eine bestimmte Parteirichtung ausgedacht hat, dann
werden wir auf dieser Seite des Hauses mit Vorwürfen überschüttet: „wir
wollten keine Religion“, wir wollten die Religion aus der Schule haben“
und was dergleichen mehr ist. Meine Herren, die nationalliberale und die
freikonservative Partei repräsentieren — das will ich dem Herrn Abgeord-
neten Grafen zu Limburg-Stirum zugeben — gewiß nicht das ganze Bürger-
tum, aber doch so wesentlich große, weit umfassende, auf die geistige Ent-
wickelung und die geistige Arbeit unserer Nation einwirkende und be-
stimmende Kreise des Bürgertums, daß wir es uns wirklich verbitten
müssen, diese Kreise mit dem Vorwurf zu versehen, als wollten sie die
Religion aus der Volksschule entfernen oder die Volksschule religionslos
machen. Bleiben Sie uns doch einmal mit diesen Vorwürfen, die so un-
fundamentiert sind, fort; wiederholen Sie dieselben nicht. Sie erregen
damit nur einen Zorn, der auf unserer Seite wegen der Ungerechtigkeit
solcher Vorwürfe wirklich die Möglichkeit eines gemeinsamen Schaffens auf
diesem Gebiete fast unmöglich macht.
Meine Herren, und ebenso nehme ich hier in Schutz die freifinnige
Partei, als deren Vertreter ich sonst hier nicht im Hause bekannt bin. Die