42 Das Dentsche Reih und seine einzelnen Glieder. (Januar 28.)
zessionen nach der Richtung dieses Wunsches des Zentrums hin der römisch-
katholischen Kirche gemacht worden find.
Meine Herren, meine politischen Freunde haben seit langen Jahren
den Wunsch gehabt, ein Unterrichtsgesetz herbeigeführt zu sehen. Unsere
Wünsche, die wir in diesem Gesetz zum Ausdruck gebracht sehen wollten,
waren folgende. Wir wollten die jetzige, meines Erachtens noch recht mini-
male Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Lehrers erhalten und noch
vermehren. Ich weiß, daß in Ihren Reihen (nach dem Zentrum und nach
rechts) der Volksschullehrerstand, wie er sich seit der Zeit der Falkschen Ge-
setzgebung herausgebildet hat, nicht gerade beliebt ist. Als Herr Kollege
Richter die Aeußerung machte, der jetzige Volksschullehrer sei nicht mehr
der Küster von ehedem, sondern ein pädagogisch durchgebildeter Mann, be-
gleiteten Sie aus Ihren Reihen diese Aeußerung mit lautem Gelächter. Ich
will ja zugestehen, daß es im Volksschullehrerstande mancherlei Mängel
gibt. Dem Volksschullehrerstande wird vorgeworfen, er trete zu sehr in den
Vordergrund des öffentlichen Lebens, er mache von dem Vereins= und Preß-
recht nicht immer den gebührenden Gebrauch, er leide an einer höchst ein-
seitigen Ueberschätzung der eigenen Bestrebungen, er lasse alle politischen
Parteien um seine Gunst werben. Ja, meine Herren, das mag ja hier und
da in einzelnen Fällen zutreffen; es ist zweifellos, der Lehrerstand ist be-
rechtigt, auch in seinen Reihen verschiedene Auffassungen zur Geltung zu
bringen und zu haben; und es mag sein, daß die Art der Thätigkeit Ein-
zelner auf dem Gebiet der Agitation für dieselben nicht immer richtig er-
scheint. Aber deshalb wollen Sie doch nicht über eine solche Einzelerschei-
nung den ganzen Stand verurteilen! Ich möchte doch wissen, ob der Herr
Abgeordnete Stoecker sich nicht fortgesetzt in den Vordergrund des öffent-
lichen Lebens stellt, und ob er immer von dem Preß= und Vereinsrecht den
richtigen Gebrauch macht, und ob er nicht an einer höchst einseitigen Ueber-
schätzung des Wertes und der Bedeutung seiner Persönlichkeit leidet; —
wollen Sie denn nun die sämtlichen Prediger und Geistlichen im Lande
nach dieser Einzelerscheinung beurteilen? Glauben Sie denn nicht, daß ein
ganz außerordentlich tiefer und ernster Zug durch unsere ganze Lehrerwelt
geht, daß es ernste Männer find, die das Wohl der Kinder im Herzen
tragen? Wenn die Sehnsucht nach Aenderungen sich häufig in etwas leiden-
schaftlicher und überschwänglicher Weise Luft macht, nun, meine Herren,
das ist in allen Ständen genau ebenso der Fall; wir brauchen deshalb nicht
Bestimmungen in dieses Gesetz zu bringen, welche die ganze Selbständigkeit
des Lehrers vernichten und ihn zu einem absoluten Untergebenen des Geist-
lichen machen würden.
Weiter werden unsere Wünsche dahin gehen, daß wir den Einfluß
der Gemeinden auf das Schulwesen mehr erhalten, aber gewiß nicht ver-
mindert sehen wollen. Meine Herren, in diesem Entwurf ist das Recht der
Gemeinden auf die Entwickelung und Gestaltung und Durchführung des
Schulwesens so minim noch vorhanden, daß es kaum noch erwähnenswert
ist. Das ist richtig: nach diesem Entwurf zahlt die Gemeinde, und der Re-
gierungspräsident bestimmt. Früher wenigstens hatten wir, wenn wir in
unseren Gemeinden Wünsche in bezug auf das Schulwesen hatten, die Mit-
wirkung und die Beratung der im Schulwesen ausgebildeten Männer in
den Abteilungen für Schulangelegenheiten bei den Regierungen. Der Ent-
wurf nimmt diese Abteilungen weg, er setzt an deren Stelle den Regierungs-
präsidenten. Nun möchte ich doch wirklich mal wissen — wir haben ja
Regierungspräsidenten hier in unserer Mitte, die werden mir das bestäti-
gen —: wenn das ganze Volksschulwesen den Händen der Abteilungen ent-
zogen und dem Regierungspräsidenten überwiesen wird, dann ist derselbe