44 Das Dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 28.)
glied dieses Schulvorstandes, sondern auch nur auf Grund der staatlichen
Ernennung durch die die staatlichen Funktionen ausübende Verwaltung.
Ich sagte, wir wollten den Religionsunterricht in den Volksschulen
nicht dogmatisch gestaltet wissen, und ich wiederhole das nochmals, wir
wollen ihn nicht konfessionell in der Schärfe gestaltet wissen, wie hier der
Entwurf ausspricht, und wie scharf, wie grausam scharf diese Konfessiona-
lität in diesem Entwurf zu Tage tritt, beweist ein Satz auf Seite 52 der
Motive, wo es heißt: „Namentlich die Strenge, mit welcher in den §§ 14
und 15 das konfessionelle Prinzip durchgeführt wird, muß es den Angehö-
rigen konfessioneller Minderheiten nahelegen, sich von einer Schule zurück-
zuziehen, welche sie für ihre Kinder nicht wollen.“ Also diese ganze Strenge
des konfessionellen Prinzips soll durchgeführt werden in den Schulen. Man
schafft Schulen, in denen künftig alle diejenigen, die auf dem streng kon-
fesionellen Standpunkt nicht stehen, ihre Kinder nicht weiter belassen können
d Gewissenzzwang; das wird hier in den Motiven ruhig und klar aus-
gesprochen.
Meine Herren, wir wollten, daß in der Schule wie jetzt die Grund-
lehren des Christentums gelehrt werden, die Grundlehren des Christentums,
wie sie etwa in der Bergpredigt zum Ausdruck gekommen sind. Wir wollten
das allen Christen Gemeinsame hauptsächlich zum Gegenstand des Religions-
unterrichts in denjenigen Schulen machen, für welche wir ein neues Unter-
richtsgesetz ersehnen. Wir wollten die alten Grundsätze des preußischen
Staates wieder hervorgeholt sehen und aufs neue in das ganze Leben des
Volkes die Grundlehren des gemeinsamen Christentums hineinziehen. Meine
Herren, ich glaube, es ist doch wohl an der Zeit, zurückzugreifen auf unsere
früheren preußischen Könige und ihre Wirksamkeit und Auffassung in Bezug
auf die Ausübung des Volksschulunterrichts. In der Kabinetsordre, die
Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1798 an den Minister v. Wöllner, den
damaligen Kultusminister, einem Nachfolger des v. Zedlitz-Leipe, gegeben
hat, spricht sich Friedrich Wilhelm III., der Urgroßvater unseres erhabenen
Kaisers, wie folgt, aus: „Wenn Ihr bei Leitung Eures Departements nach
echt lutherischen Grundsätzen verfahrt, welche so ganz dem Geist und den
Lehren des Stifters unserer Religion angemessen sind, und wenn Ihr dafür
sorgt, daß Predigt und Schulämter mit rechtschaffenen und geschickten
Männern besetzt werden, die mit den Kenntnissen der Zeit und besonders
der Exegese fortgeschritten sind, ohne sich an dogmatische Subtilität zu kehren,
so werdet Ihr es bald einsehen können, daß weder Zwangsgesetze noch Er-
innerungen nötig sind, um wahre Religion im Lande aufrecht zu erhalten
und ihren wohlthätigen Einfluß auf das Glück und die Moralität aller
Volksklassen zu verbreiten.“
Und dem gegenüber, meine Herren, sagt man, dieser Entwurf sei eine
Kontinnität der Auffassungen, welche die Geschichte unseres preußischen
Staats durchziehe und wirklich hat man auch die friederizianische Zeit,
Friedrich den Großen, den großen Gründer des preußischen Staatswesens,
für sich in Anspruch genommen. Beide stützen wir uns, der Herr Kultus-
minister und wir, bei der Beratung dieses Entwurfs nach unserer beider
Meinungen auf dieselben Traditionen. Meine Herren, ich glaube doch, die
friederizianische Tradition ist mehr für uns, wie für diesen konfessionell ge-
spannten Entwurf sprechend.
Als zur Unterstützung der Gegenansicht seitens der Freunde des Ent-
wurfs angeführt wurde, zur Zeit Friedrichs des Großen habe der Geistliche
einen großen Einfluß auf die Schule gehabt, meinte Herr Abgeordn. Richter,
ja, das ist richtig; weil damals gar keine anderen gebildeten Männer waren
als die Geistlichen, mußte Friedrich der Große denselben diesen Einfluß ge-