Da Penische Reich und seine einzelnen Elieder. (Januar 30.) 63
eine Sezession nach rechts; es könnte sein, Sie vereinigen sich geschlossen
mit anderen Elementen — eine Eventualität, die ich nicht für sehr wahr-
scheinlich an sich halte, weil gerade Ihre Anschauungen in der letzten Zeit
in vieler Beziehung diametral entgegengesetzt gewesen sind denen des Frei-
finns. Daß ich aber mit meinen Bedenken doch nicht allein stehe oder einen
beschränkten Regierungsstandpunkt einnehme, das werden Sie vielleicht daraus
ersehen, daß auch ein mehr wie fortschrittliches Organ, die „Frankfurter
Zeitung"“, vor ein paar Tagen sagte: Die Nationalliberalen müssen eine
Witterung davon haben, daß die Regierung noch viel reaktionärere Dinge
plant, sonst würden sie dergleichen gar nicht machen. Ich habe nur den
Wunsch, Klarheit zwischen uns zu bekommen. Arbeiten Sie mit uns das
Gesetz durch; wir sind bereit. Wir geben zu, daß in dem Gesetz eine Menge
sein kann, wo wir irren; treten Sie mit den anderen Parteien zusammen,
überzeugen Sie die, dann werden wir zu einem Resultat kommen; aber bisher
— und darin habe ich kein Wort zurückzunehmen von dem, was ich gestern
gesagt habe — bisher habe ich keinen Anlaß, an der Anschauung irre zu
werden, daß Sie der Regierung den Krieg erklärt haben, auf Grund des
Volksschulgesetzes oder auf Grund von Motiven, die für die große liberale
Partei entscheidend waren, die mir aber unbekannt sind.
Um nun aber mit einem friedlichen Ton zu schließen — ich hoffe,
ich bin nicht kriegerisch gewesen, ich war es auch gestern nicht —, will ich
aus der „Nationalzeitung“ von heute morgen citieren, was sie über die
gestrige Rede des Herrn Abgeordneten Dr. Friedberg sagt: „Der national-
liberale Redner Dr. Friedberg hat der Regierung, indem er auf die einzelnen
Punkte, in denen Uebereinstimmung zwischen ihr und den Nationalliberalen
besteht und bezüglich deren die Meinungen sich trennen, einging, nochmals
Gelegenheit gegeben, den guten Willen der Partei zu erkennen.“ Das accep-
tiere ich; ich würde das noch lieber acceptieren, wenn ich die Sicherheit hätte,
daß, wie ich aus Zwischenrufen schließe, die große liberale Partei eine Seifen-
blase wäre, die schon wieder verflogen ist. (Heiterkeit.)
Abgeordneter Dr. Friedberg:
Meine Herren, durch die ganzen Ausführungen des Herrn Reichs-
kanzlers zog sich die Vorstellung, daß die Bildung einer liberalen Partei
beabsichtigt oder womöglich schon perfekt sei. Ich darf aussprechen, daß
alles, was er in dieser Beziehung konjiziert hat, eine unbegründete Kom-
bination ist, eine Kombination, die, wie mir scheint, sich auf sehr wenige
und unerhebliche Thatsachen stützt.
Wenn ich die gestrige Rede des Herrn Ministerpräsidenten durchgehe,
so sind es drei Punkte, die für ihn den Anhalt geboten haben, zu der Ver-
mutung zu kommen, daß wir es durchaus darauf anlegten, eine große libe-
rale Partei zu bilden. Das erste, was er anführte, war der bekannte Artikel
der „Kölnischen Zeitung“. Nun, meine Herren, ich denke, jede einzelne Partei
in diesem Hohen Hause kann nicht verantwortlich gemacht werden für das,
was von der Presse geschrieben wird. Aber auch das wird dem Herrn Mi-
nisterpräsidenten bekannt sein, daß innerhalb der nationalliberalen Presse
selbst dieser Artikel der „Kölnischen Zeitung“ sehr erheblichen Widerspruch
gefunden hat, und daß weder die nationalliberale Presse noch die national-
liberale Partei sich mit den Anschauungen identifiziert hat, die in diesem
Artikel der „Kölnischen Zeitung“ niedergelegt sind.
Der zweite Punkt, auf welchen der Herr Ministerpräsident seine Ver-
mutung gründete, war die Rede unseres verehrten Führers im Reichstage,
des Herrn Reichstagsabgeordneten v. Bennigsen. Ich habe bereits gestern
versucht, eine kurze Interpretation dieser Rede, die mehrfachen Mißverständ-