80 Das Ventsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 28.)
28. März. (Abgeordnetenhaus.) Minister präsident
Graf zu Eulenburg:
Meine Herren, der Mitteilung, welche Ihnen über Personalverände-
rungen im königlichen Staatsministerium zugegangen ist, möchte ich folgendes
hinzufügen. Die Vereinigung der Aemter des Reichskanzlers und des Prä-
sidenten des preußischen Staatsministeriums bringt, wie nicht erst in neuerer
Zeit erkannt worden ist, ein Maß von Arbeit und Verantwortung mit sich,
welches die Kräfte auch des leistungsfähigsten Mannes vorzeitig aufzureiben
geeignet ist. Dazu kommt, daß die Stellung des Reichskanzlers eine freiere
wird, wenn dieselbe von Zwischenfällen unabhängig ist, welche allein innere
preußische Angelegenheiten betreffen. Wenn diese Erwägungen dazu geführt
haben, das Amt des Präsidenten des preußischen Staatsministeriums.
von dem Amte des Reichskanzlers zu trennen, so ist dadurch, daß der Reichs-
kanzler Minister der auswärtigen Angelegenheiten und Mitglied des preußi-
schen Staatsministeriums bleibt, zugleich Fürsorge getroffen, daß die ein-
heitliche Leitung der auswärtigen Angelegenheiten und das bisherige gegen-
seitige Verhältnis des Reichs und Preußens nicht beeinträchtigen werden.
Was sodann den Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf über die Volks-
schule betrifft, so hat die Erörterung desselben in diesem Hause wie im Lande
scharfe Gegensätze hervortreten lassen, welche sich bisher unvermittelt gegen-
überstehen. Auch die Beratungen ihrer Kommission haben zu einer Ver-
ständigung nicht geführt (Unruhe rechts und im Zentrum), und die Aussicht,
daß sich eine solche würde erreichen lassen, nicht eröffnet. (Widerspruch rechts
und im Zentrum.)
Da unter diesen Umständen ein befriedigendes Ergebnis nicht zu er-
warten ist, verzichtet die königliche Staatsregierung auf die Fortsetzung der
Beratung des vorliegenden Gesetzes (Bravol links; Zischen rechts und im
Zentrum) und behält weiterer Erwägung vor, wann und in welcher Weise
innerhalb des durch die Verfassung gegebenen Rahmens auf die Angelegen-
heit zurückzukommen sein wird. (Lebhaftes Bravo links.)
28. März. (Berlin.) Hans von Bülow hält am Schluß
eines Konzertes in der Philharmonie eine Rede, in der er sagt:
„die positive Devise gegenüber den Worten des Wahns „Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit“ sei Infanterie, Kavallerie, Artillerie. Die Quint-
essenz der Beethoven'schen Gedanken sei der Held gewesen. Deshalb widme
er heute die Eroica dem deutschen Helden, dem Fürsten Bismarck."“
28. März. (Herrenhaus.) Auf eine Provokation des Grafen
Schulenburg antwortet der Präsident des Staatsminsteriums Graf
zu Eulenburg:
Meine Herren! Es ist weniges, was ich zu erwidern habe auf die so
eben gehörte Rede, aber etwas notwendiges.
Zunächst mache ich darauf aufmerksam, daß der Herr Reichskanzler
gegen die Angriffe, die soeben gegen ihn ausgesprochen worden sind, sich zu
verteidigen an diesem Orte nicht in der Lage ist. (Zuruf: Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten!) Ich glaube nicht, daß er Ursache hatte anzu-
nehmen, daß diese Angelegenheit in dieser Weise heute zur Sprache kommen
würde. Es fällt daher naturgemäß seine Verteidigung, soweit sie notwendig
erscheint, mir zu.
Ich habe sie zunächst nach der Richtung hin zu führen, die zuletzt
von dem Herrn Vorredner erwähnt worden ist. Er hat dem Herrn Reichs-
kanzler vorgeworfen, in seiner bisherigen Doppelstellung als Reichskanzler