Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

92 Jaes Veuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 13. u. 14.) 
13. u. 14. Juli. (Reichstag.) Zweite Lesung der Militär- 
Vorlage. 
Die Abgg. Prinz zu Schönaich-Carolath und Roesicke haben den 
Abänderungsantrag eingebracht, die Einleitung des Artikels II wie folgt 
zu sassen: 
„Für die Zeit vom 1. Oktober 1893 bis zum 31. März 1899 treten 
bezüglich der aktiven Dienstpflicht folgende Bestimmungen in Kraft, welche 
für die spätere Zeit auch so lange gelten, als die Friedenspräsenzstärke nicht 
unter die im Artikel 1 § 1 Absatz 1 bezeichnete Zahl herabgesetzt werden 
wird und die im § 2 vorgesehenen Neuformationen erhalten bleiben."“ 
Graf Hompesch (Vorsitzender der Zentrums-Fraktion): 
In der letzten Plenarsitzung hat der Reichskanzler in Bezug auf 
meine Fraktion Behauptungen aufgestellt, die nicht ohne Antwort gelassen 
werden dürfen. Der Reichskanzler hat gegenüber dem Abg. Gröber ge- 
meint: was er gesagt habe, habe man oft genug von freifinniger und sozial- 
demokratischer Seite gehört; es sei das eben ein Beweis dafür, daß im 
Zentrum eine Umwandlung in demokratischer Richtung erfolgt sei. Gegen 
diese Aeußerungen muß ich im Namen und Auftrage meiner politischen 
Freunde Verwahrung einlegen (lebhafter Beifall im Zentrum) und folgende 
Erklärung abgeben: Das Zentrum ist niemals eine nur konfessionell kirch- 
liche Partei gewesen; wenn ihr dies in früheren Jahren insinuiert wurde, 
hat sie jedesmal dagegen Verwahrung eingelegt. Der Schutz der Rechte der 
katholischen Kirche und der übrigen anerkannten Kirchen ist und bleibt eine 
der vornehmsten Aufgaben unserer Partei, aber nicht die einzige. Die Er- 
haltung des föderativen Charakters des Reiches, der Schutz der Freiheiten 
aller Angehörigen desselben und die Förderung des allgemeinen Wohls 
sind, wie es unsere Statuten ausweisen, nicht minder Aufgaben, die sich 
unsere Fraktion gestellt hat. (Beifall im Zentrum.) Wir beteiligen uns 
nicht im gouvernementalen, sondern in wahrhaft konservativem Sinne für 
die Erhaltung aller Rechte; wir stehen fest in Treue und Gehorsam gegen 
die Träger der Autorität in Staat und Kirche, wir arbeiten an dem Aus- 
bau der rechtlich gegebenen Grundlagen zur Besserung der inneren Zu- 
stände. Auf dem Boden dieser Grundsätze hat das Zentrum immer ge- 
standen, steht es heute und wird es, so Gott will, unter Gottes Hilfe auch 
stehen bleiben. Ich weise demnach im Namen meiner Freunde die An- 
schuldigungen des Reichskanzlers als durchaus unzutreffend auf das Ent- 
schiedenste zurück. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) 
In namentlicher Abstimmung wird 8 1 mit 198 gegen 187 
Stimmen angenommen. Für denselben stimmen geschlossen die Kon- 
servativen, die Reichspartei, die Nationalliberalen, die Polen, die 
Freisinnige Vereinigung und die deutsche Reformpartei; ferner vom 
Zentrum Prinz Arenberg und Lender, ferner Graf Bismarck-Schön- 
hausen, v. Hornstein, Prinz Carolath und Rösicke. Gegen § 1 
stimmen geschlossen die Sozialdemokraten, die Süddeutsche und die 
Freisinnige Volkspartei, das Zentrum mit den genannten Aus- 
nahmen, die Welfen, die Elsaß-Lothringer und von den Wilden 
Bachmeir, Pachnicke, Sigl und der Däne Johannsen. Es fehlten 
die drei Antisemiten Liebermann v. Sonnenberg, Ahlwardt und
	        
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