172 Bie Gesterreichisch-Angerisege Menarhie. (Februar 4.)
teien, sondern die Sorge für die Gesamtheit uns auferlegt, durch die rasche
Entwickelung in der Gegenwart besonders zahlreich und dringend geworden
sind, und hat eine Reihe von Gegenständen aufgezählt, welche diesem Ge-
biete angehören. Einige der betreffenden Gesetzesvorlagen haben in dem ab-
gelaufenen Sessionsabschnitte bereits ihre Erledigung gefunden, andere stehen
in parlamentarischer Behandlung, oder sind noch in Ausarbeitung begriffen.
Mit diesen Gegenständen ist aber die notwendige Thätigkeit auf wirtschaft-
lichem Gebiete in keiner Weise abgeschlossen. Es gesellt sich hierzu nicht
bloß die stets erneute und bei den immerfort wachsenden Anforderungen
auf allen Gebieten des staatlichen Lebens stets schwieriger und verantwortungs-
voller sich gestaltende Sorge für die Erhaltung und Festigung des Gleich-
gewichts im Staatshaushalt, sowie für die erfolgreiche Durchführung der
Regelung unseres Geldwesens und der gerechten Verteilung der Steuerlast;
auch sonst lassen die gebotene, der naturgemäßen Entwickelung angepaßte
Förderung der Produktion und des Verkehrs, die Notwendigkeit der Er-
haltung und des Schutzes der Mittelstände auf allen wirtschaftlichen Ge-
bieten, sowie der Förderung des Ausgleichs sozialer Gegensätze, und der
Hebung der schwächeren Gesellschaftsklassen, endlich die Notwendigkeit, sol-
chen Ausschreitungen des Eigennutzes, welche einem gesunden wirtschaftlichen
Fortschritte schädlich sind, mit Ernst und Strenge entgegenzutreten, fort-
gesetzt neue Aufgaben entstehen, deren eifriger Erfüllung Gesetzgebung und
Verwaltung, welche auf der Höhe der Anforderungen schwieriger Zeitver-
hältnisse stehen wollen, sich durchaus nicht entschlagen können. Endlich bildet
auch die gebotene Fortbildung des Civil= und Strafrechts den Gegenstand
großer legislativer Arbeiten. Nach den eben entwickelten Grundsätzen wird
die Regierung vorgehen. Hierzu bedarf sie einer festen parlamentarischen
Unterstützung. Sie erwartet bei dem Umstand, als keine der vorhandenen
Parteien für sich allein diese Unterstützung gewähren kann, daß die staats-
erhaltenden gemäßigten Parteien und Abgeordneten gleicher Gesinnung in
eine den Anschauungen der Regierung beipflichtende Koalition treten werden.
Soll diese Koalition thatsächlich feste Majoritäts-Verhältnisse im Abgeord-
netenhaus schaffen, so benötigt sie eines Organs aus ihrer Mitte, dem die
Aufgabe zufiele, die Verbindung mit der Regierung ständig aufrecht zu er-
halten und die gemeinsamen parlamentarischen und politischen Angelegen-
heiten zu ordnen.
Nach längerer Beratung faßte darauf der Klub der vereinigten
deutschen Linken folgenden Beschluß:
„Das mitgeteilte Programm der Regierung enthält vorerst die Ein-
ladung zur Bildung einer Parteikoalition, sodann eine Reihe von Grund-
sätzen, von welchen die Regierung sich bei der Führung der öffentlichen Ge-
schäfte leiten lassen zu sollen erklärt. Die vereinigte deutsche Linke hält
noch immer dafür, daß eine Koalition von staatserhaltenden, nicht durch
große innere Gegensätze geschiedenen Parteien eine gedeihliche Entwickelung
unserer politischen und parlamentarischen Verhältnisse herbeiführen und ver-
bürgen würde; sie kann jedoch mit solchen Parteigruppen und Abgeordneten,
welche gegenüber den Grundanschauungen der Partei bisher eine gegensätz-
liche Stellung eingenommen haben, ohne Preisgebung ihrer eigenen Ueber-
zeugung eine Koalition nicht eingehen. Die Partei nimmt den Inhalt des
Regierungsprogramms zur Kenntnis und konstatiert, daß jene Sätze, welche
sich auf die Bekräftigung der auswärtigen Politik und des staatsrechtlichen
Verhältnisses zu Ungarn, sowie auf die Aufrechterhaltung der Grundprin-
zipien der Verfassung, die Erhaltung des nationalen Besitzstandes der Deut-
schen, die reichsgesetzliche Regelung ge Sprachenfrage mit Anerkennung der