228 Frankreich. (März 5.—8.)
Aktenstücke, namentlich dasjenige welches die Aussagen von Charles de Lesseps
protokollarisch feststellt, noch zahlreiche interessante und überraschende Auf-
schlüsse, doch verbieten uns schon räumliche Rücksichten auf die Einzelheiten
einzugehen. Erwähnt sei nur noch, daß Lesseps, obwohl er sichtlich bemüht
war, die verdächtigen Staatsmänner und Parlamentarier zu schonen (die
bezüglichen Vernehmungen hatten stattgefunden, bevor das Appellgericht ihn
wegen Betrugs und Untreue zu der höchsten Strafe verurteilte), dem Unter-
suchungsrichter doch zugestehen mußte, er habe dem damaligen Konseilpräsi-
denten Floquet auf dessen Ersuchen 300,000 Frcs. zur Verfügung gestellt.
Nachdem Floquet über die Sache zuvor schon mit Arton gesprochen, habe
er auch ihm (Lesseps) persönlich erklärt, er befinde sich seit der Wahl Bou-
langers im Norddepartement in großer Geldnot und es wäre ihm lieb, wenn
die Panama--Gesellschaft ihm von ihrem Ueberflusse 300,000 Fres. zukommen
lassen wollte. Lesseps willfahrte und händigte Arton fünf Checks im Ge-
samtbetrage von 300,000 Frcs. aus. Floquet wollte bei seiner Vernehmung
durch den Untersuchungsrichter diese Angaben nicht gelten lassen. „Am
3. April 1888“ so erklärte er „trat ich das Konseilspräsidium an, die Wahl
im Norddepartement fand am 15. statt. Wie hätte ich da in zwölf Tagen
die mir zur Verfügung gestellten Geheimfonds erschöpfen können? Auch
wäre es mir niemals eingefallen, mit Hrn. de Lesseps, dessen unrepublikanische
Gesinnung ich kannte, so zu sprechen, wie er angibt.“ Dieser Einwand kann
schwerlich als stichhaltig gelten. Hat doch z. B. Hr. Rouvier in einem
Moment der Erregung in der Kammer erklärt, daß er bei Uebernahme
der Konseilpräsidentschaft in den Kassen, aus denen die geheimen Ausgaben
bestritten werden sollten, nicht einen Sou vorgefunden habe, weil die Gelder
entweder verausgabt oder von seinem Vorgänger mitgenommen worden seien;
er habe sich deshalb genötigt gesehen, die Gefälligkeit eines Geldmannes in
Anspruch zu nehmen und sich von ihm die Summen verschaffen lassen, deren
er zum Kampfe mit dem Boulangismus bedurfte. Weshalb sollte perr
Floquet sich nicht in einer ähnlichen Not= und Zwangslage befunden haben?
Und was die „unrepublikanische“ Gesinnung des Hrn. de Lesseps betrifft, so
hat sie weder Floquet noch Freycinet oder Clémenceau gehindert, von der
Panamas-Gesellschaft unter Hinweis auf das Interesse der Republik die thun-
lichste Befriedigung Reinachs und die Vermeidung des angedrohten Skandal-
prozesses zu fordern.
Der „Figaro“ schließt seine Veröffentlichung:
„Was ergibt sich für den unparteiischen Leser aus allen diesen Aus-
sagen, trotz der vielen Widersprüche, denen man dabei begegnet? Jedenfalls
so viel, daß der Ministerpräsident Floquet und sein Freund, der Führer
der extremen Linken, Hr. Clemenceau, durch ihr Verhalten und ihre persön-
liche Einflußnahme die Panama-Gesellschaft zu Ausgaben und Gefälligkeiten
gezwungen haben, gegen die Hr. de Lesseps mit aller Kraft sich sträubte.
Neben Hrn. Balhaut, der eine Million für sich forderte, fanden sich andere
Minister, offenbar die aller integersten, die aus den von den Zeichnern der
Panama-Anleihen gezahlten Fonds für ihre Schützlinge und Verbündeten
Geldbeträge forderten und erhielten. Der Prozeß gegen die HH. de Lesseps
könnte also zugleich ein Prozeß gegen die damaligen Minister werden, in
dem sie wegen ihres Verfahrens gegenüber den Ersparnissen der französischen
Staatsangehörigen Rechenschaft abzulegen hätten.“
5. März. (Paris.) Der französische Akademiker Hippolyte
Taine f.
8. März. Beginn des Panama-Bestechungsprozesses im
Justizpalast.