Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

282 Sc#weden und Nerwegzen. (November 4.) 
Reich, welches nicht geteilt oder abgetreten werden kann, sondern auch „ein 
unter einem König mit Schweden vereinigtes Reich ist"“. 
Wahrer Patriotismus ist durchaus vereinbar mit unionsfreundlicher 
Gesinnung. Man kann gewiß der Union huldigen und sie stützen, während 
man gleichzeitig die Rechte jedes der beiden Reiche voll anerkennt. Man 
kann dagegen nicht wahrer Freund der Union sein, wenn man das König- 
tum zu untergraben sucht, welches Norwegen zufolge des Grundgesetzes und 
der Reichsakte gemeinsam mit Schweden hat. Jede politische Union setzt ja 
immer gemeinsame Ziele zum Nutzen aller daran Teilnehmenden voraus. 
Die Vereinigung vom 4. November 1814 beabsichtigte durch vermehrte Ver- 
teidigungskraft größeres Vermögen zu gewähren, um die Freiheit des 
Handelns der vereinten Reiche zu schützen und ihre Neutralität unter mög- 
lichen europäischen Verwickelungen zu bewahren und so mit aller Macht 
den Brudervölkern die Segnungen des Friedens zuzusichern. Die Vereini- 
gung bedeutet also auch nach außen hin nicht Krieg, sondern Frieden!“) 
Uns volle Handlungsfreiheit zu bewahren, darauf find meine Bestrebungen 
unablässig gerichtet, bisher mit Erfolg, und, wie ich hoffe, auch für die 
Zukunft. Damit aber dieses große Ziel in allen Zeiten und vollständig 
gesichert sei, müssen die vereinten Reiche genau derselben auswärtigen Politik 
folgen und also einen gemeinsamen Minister des Auswärtigen haben. Das 
Amt selbst muß seiner Natur nach unionell sein. Es ist auch mein inniger 
Wunsch, daß man durch beiderseitiges Streben übereinkommen und eine für 
beide Reiche zufriedenstellende Ordnung erreichen könne, durch welche dem 
Könige das Recht erwächst, das Amt des Ministers des Auswärtigen eben 
so gut mit einem Norweger, wie mit einem Schweden zu besetzen. Aber 
die Aufhebung der Gemeinsamkeit auf diefem Gebiete ist gleichbedeutend mit 
Auflösung der Union. Ich muß als nicht unionsfreundlich einen jeden, seie 
er Norweger oder Schwede, betrachten, welcher nicht schuldige Rücksicht auf 
die billigen Forderungen des Bruderreiches nimmt, sei es in der Frage der 
Rechte oder Pflichten. Nur durch Versöhnlichkeit werden Verbindungen 
zwischen freien Völkern gefördert. Nur durch sie kann die Zukunft unserer 
Union sicher geschützt und seine Entwicklung glückbringend werden. Ehe 
der nächste 4. November graut, steht hier in Norwegen die seit 1814 viel- 
leicht bedeutungsvollste Wahl bevor. Möchten da alle treuen und guten 
Männer zur Wehr für die Vereinigung hervortreten! Hier gilt es nämlich 
nichts geringeres, als die Sicherung der skandinavischen Halbinsel und des 
Glückes ihrer beiden edlen Völker. Sollte jemals dieses durch feierlichen 
Akt besiegelte Band zwischen den Brudervölkern zerrissen werden, so würde 
die Selbständigkeit beider Reiche in größere Gefahr kommen, als ich hier 
aussprechen will. Aber dieses verhüte der Allmächtige! Meine Aufgabe 
und aller verfassungstreuen Mitbürger Pflicht in meinen beiden Reichen 
bleibt in jedem Falle, nach bestem Vermögen solche Gefahr abzuwehren. 
Dazu helfe uns Gott! Die Vereinigung lebe!" 
  
.) Gesagt unter Rücksicht auf die ausgesprengten Gerüchte vom Anschluß Schwe- 
dens an den Dreibund.
	        
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