Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

Nerd· Amerika. (Maͤrz 4.) 303 
starker Mann, welcher im Vertrauen auf seine kräftige Gesundheit die stärkste 
Thätigkeit aufsucht und sich beständiger Arbeit freut, mag doch von heim- 
licher und naher Krankheit bedroht sein, welche zu plötzlichem Zusammen- 
bruche führt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die ungeheuren Errungen- 
schaften unseres Volkes und die bedeutende Stärke unseres Landes Anlaß 
zu einer Sorglosigkeit in jenen Gesetzen gegeben haben, welche unsere natio- 
nale Gesundheit leiten und die wir nicht mehr vermeiden können, als das 
menschliche Leben die Gesetze Gottes und der Natur. Offenbar ist für unser 
Uebergewicht als Nation und für die guten Zwecke unserer Regierung nichts 
wichtiger als eine gesunde und beständige Geldwährung. Sobald dieselbe 
der Verschlechterung ausgesetzt ist, sollte die erleuchtetste Staatskunst sofort 
zur Thätigkeit erwachen und die Gefahr der Entwertung der Kaufkraft und 
der Arbeitslöhne sollte den stärksten Ansporn zu schnellen und konservativen 
Vorsichtsmaßregeln sein. Bei der Behandlung unserer gegenwärtigen schwie- 
rigen Lage in Bezug auf diesen Gegenstand werden wir weise sein, wenn 
wir unser Vertrauen in unsere nationale Stärke und unsere Hilfsquellen 
mit dem offenen Bekenntnis mäßigen, daß selbst diese Hilfsquellen uns nicht 
erlauben werden, den unerbittlichen Gesetzen der Finanzen und des Handels 
straflos zu trotzen. Gleichzeitig sollten wir in unseren Bemühungen, Mei- 
nungsverschiedenheiten auszugleichen, uns frei von Intoleranz und Leiden- 
schaft halten und unser Urteil sollte sich nicht durch trockene Phrasen ver- 
leiten und nicht durch selbstische Interessen erregen lassen. Ich bin über- 
zeugt, daß, wenn wir die Frage in solcher Weise behandeln, wir zu einer 
verständigen und wirksamen heilenden Gesetzgebung gelangen werden. In- 
zwischen wird, soweit die Regierung dabei in Betracht kommt, keine Macht- 
vollkommenheit, mit welcher dieselbe ausgerüstet ist, unbenutzt bleiben, wenn 
die Notwendigkeit an uns herantritt, unseren nationalen Kredit aufrecht zu 
erhalten oder ein finanzielles Unglück von uns abzuwenden. Eng verbunden 
mit dem übertriebenen Vertrauen auf die Größe unseres Landes, welches 
dazu neigte, die Eesee der nationalen Sicherheit zu mißachten, droht uns 
eine nicht geringere Gefahr, ich meine das Vorherrschen der Neigung im 
Volke, von der Regierung besondere und direkte persönliche Vorteile zu ver- 
langen. Der Urteilsspruch unserer Wähler, welcher die Ungerechtigkeit der 
Aufrechterhaltung des Schutzsystems um des Schutzes selbst willen verurteilte, 
legte den Dienern des Volkes die Pflicht auf, die Brut ähnlicher Uebel, 
welche die ungesunde Quelle des Patronagesystems sind, klarzulegen und zu 
zerstören. Dies ist der Fluch der republikanischen Institutionen und bildet 
eine beständige Gefahr für unsere Regierung durch das Volk. Es erniedrigt 
für die Zwecke verschlagener Leute den Plan der Regierung, welchen unsere 
Bäter uns eingerichtet und als einen Gegenstand unserer Liebe und Ver- 
ehrung hinterlassen haben. Es verdirbt die patriotischen Gesinnungen unserer 
Landsleute und verführt sie zu einer bedauernswerten Spekulation unseres 
Volkes auf schmutzigen Gewinn, der nur durch die Unterstützung der Regie- 
rung zu erlangen ist. Es untergräbt das Selbstvertrauen unseres Volkes 
und setzt an dessen Stelle die Abhängigkeit von der Gunst der Regierung. 
Es erstickt den wahren Geist des Amerikanismus und macht jedes Gefühl 
des amerikanischen Bürgertums stumpf. Man sollte die Lehren des Pater- 
nalismus vergessen, und es sollte dafür die bessere Lehre eingeprägt werden, 
daß, während das Volk patriotisch und freudig seine Regierung unterstützen 
sollte, die Funktionen der Regierung nicht darin beständen, das Volk zu 
unterstützen. Die Annahme dieses Grundsatzes führt zur Ablehnung der 
Prämien und Subventionen, welche die Arbeit und Sparsamkeit eines Teiles 
unserer Mitbürger belasten, um schlimme und mangelhaft gedeihende Unter- 
nehmungen zu unterstützen, an welchen sie gemeinschaftlich beteiligt sind.
	        
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