Jas Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 16.) 29
Heiterkeit. Widerspruch bei den Konservativen.) Nun, vielleicht ist dann
das zeitliche Zusammentreffen nur ein zufälliges. Jedenfalls ist die konser-
vative Unterstützung sehr zweifelhafter Natur, namentlich auch bei der opposi-
tionellen Haltung der Konservativen gegenüber der Regierung auf anderen
Gebieten, in Fragen der Handelsverträge, der Währung 2c. Ueberall dort
sind die Konservativen in entschiedenster Opposition zur Regierung. Die
Opposition der Konservativen ist in den letzten Wochen sogar viel heftiger
geworden und hat einen persönlichen Charakter angenommen. Alles dies
läßt sehr schwer erkennen, was daraus werden soll. Es sind verhängnisvolle
Illusionen, wenn die verbündeten Regierungen glauben, bei solcher Unter-
stützung im übrigen durch ihre Autorität und Stärke eine sichere Grundlage
erhalten zu können. Alles dies habe ich nur angeführt, um die Gründe zu
verstärken für ein Nachgeben auf Seiten der Regierung. Recht starke Regie-
rungen haben früher weit mehr dem Reichstage nachgegeben. Sollte es
diesmal nicht der Fall sein, so erfüllt mich die Sorge, daß wir in Deutsch-
land in ganz unabsehbare Konflikte hineintreiben, derart, daß es mir zweifel-
haft wird, ob wir noch bei unseren Lebzeiten wieder in gesicherte Zustände
gelangen können.
Der Reichskanzler erklärt:
Der militärische Teil des Antrags Bennigsen sei zu einer Verständi-
gung nicht geeignet, die Militärverwaltung habe die von innen heraus auf-
gebauten Forderungen in drei Gruppen geteilt: I. Ausgleichsmaßregeln für
die zweijährige Dienstzeit, II. Neuformationen, III. sonstige Verstärkungen.
Die verbündeten Regierungen hätten eine fertige Organisation vorgelegt und
man biete ihnen eine Zahl, noch dazu eine völlig ungenügende. Nicht ohne
Bedenken hätten die Regierungen sich entschlossen, auf die zweijährige Dienst-
zeit einzugehen. Sie thaten das nur unter der Voraussetzung, daß ihnen
die Mittel gegeben werden, die Nachteile dieser abgekürzten Dienstzeit un-
schädlich zu machen. Jetzt biete Herr v. Bennigsen weniger, als dazu nötig,
und wolle der Militärverwaltung überlassen, damit auszukommen. Das sei
unmöglich, ohne jene Kompensationen keine 2jährige Dienstzeit. Herr v. Ben-
nigsen empfehle Haushalten und Sparsamkeit, das sei schön und gewiß oft
zu beherzigen; hier handle es sich aber um ganz bestimmte Bedürfnisse, deren
Maß nicht herabgesetzt werden könne, wenn die 2jährige Dienstzeit über-
haupt ermöglicht werden solle. Man möge die übrigen, mit der 2jährigen
Dienstzeit nicht zusammenhängenden Forderungen bemängeln, die Militär-
verwaltung habe sie so motiviert und werde darin fortfahren, man möge
doch zeigen, wo Sparsamkeit geübt werden könne, bisher sei das nicht ge-
lungen. Es sei willkürlich, wenn die Eisenbahnformationen gewährt werden
sollten, Fußartillerie und Pioniere aber nicht. Die immer wiederholte Er-
mahnung an die Regierung, sie möge die Kosten und Lasten bedenken, sei
nahezu verletzend. Eine Regierung, die das nicht thue, würde ihre Pflicht
verabsäumen. Es sei im vorliegenden Fall die finanzielle Frage von Seiten
der verbündeten Regierungen aufs eingehendste erwogen. Billige man deren
übrigens noch gar nicht ernstlich geprüfte finanzielle Vorschläge nicht, so
wären die Regierungen auch anderen nicht unzugänglich. Ueber die preußi-
schen Finanzen habe er (der Reichskanzler) nicht zu urteilen, aber sie wären
sicherlich kein Hindernis für die Durchführung der Militärvorlage. In
Bezug auf die von Herrn v. Bennigsen erwähnte wirtschaftliche Depression
müsse er sagen, daß ihm von sehr verschiedenen Seiten der Wunsch aus-
gesprochen sei: wenn nur die Militärvorlage erst durchgegangen wäre; Handel
und Wandel zeigten zahlreiche Spuren beginnenden Aufschwungs, die unter
der Unsicherheit über das Schicksal der Militärvorlage litten.