Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

30 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 17.—21.) 
17. März. Militär-Kommission. 
Richter (d.-freis.) führt aus, der Antrag Bennigsen bewillige 7/12 
der Regierungsforderung. Daß der Reichskanzler dieses weitgehende Ent- 
gegenkommen ablehne, beweise, daß mit der gegenwärtigen Regierung in 
Militärfragen nicht zu paktieren sei; seine Fraktion werde nur für seinen 
Antrag stimmen. Der Reichskanzler weist den Vorwurf zurück, daß mit 
der gegenwärtigen Regierung nicht zu paktieren sei, daß die Regierung den 
Konstitutionalismus mißachte; habe nicht die Regierung in 28 Sitzungen 
bereitwilligst und ausgiebigst Rede und Antwort gestanden? Keiner der 
vorgebrachten militärischen Gründe sei widerlegt worden. Es sei bedauer- 
lich, daß die Regierung beim Reichstag in politischen Fragen so wenig Unter- 
stützung finde, sonst wäre es unmöglich, daß der Vorsitzende einer großen 
Partei, wo es sich um die Sicherheit Deutschlands handle, sich rein negativ 
verhalte. Die kons. Abgg. v. Keudell und v. d. Schulenburg treten 
für die Regierungsvorlage ein. v. Bennigsen (nat.-lib.) gibt die Hoff- 
nung auf eine Verständigung nicht auf, sei es in diesem oder in einem neuen 
Reichstag. Mit dem Angebot einer Verstärkung um 45,000 Mann sei die 
französische Friedenspräsenz übertroffen. Wenn es aber bei dem ablehnenden 
Standpunkt, den der Reichskanzler gestern eingenommen habe, bleibe, so sei 
eine Verständigung mit diesem Reichstag absolut ausgeschlossen. Leider fehle 
ein verantwortliches Reichsfinanzamt gegenüber der naturgemäß einseitigen 
Auffassung der Militärverwaltung. Werde der Reichstag jetzt aufgelöst, so 
werde die Demagogie das Wort haben. Reichskanzler Guef Caprivi er- 
klärt: Die Militärvorlage dürfe nicht vom Parteistandpunkt aus behandelt 
werden, sondern von dem des Vaterlandes. Darum glaube er auch, daß 
mit der nationalliberalen Partei ein Konflikt nicht ausbrechen werde. Seine 
wohlerwogene Ueberzeugung sei, daß die erforderlichen Kosten aufzubringen 
seien. Er sei nicht der Vater der Vorlage am wenigsten in deren Einzel- 
heiten, verteidige dieselbe aber aus vollster Ueberzeugung. Lieber (Zentr.) 
bemerkt, v. Bennigsen gegenüber müsse er erklären, daß alle Mitglieder des 
Zentrums eine Verständigung mit der Regierung ebenso dringend wünschten, 
wie die Nationalliberalen. Sodann erfolgte die Abstimmung. Für die 
Regierungsvorlage stimmen nur die 6 Konservativen, für die gestellten An- 
träge je die Antragsteller und ihre Fraktionsgenossen. Hinze (d.- frs.) ent- 
hält sich der Abstimmung über den Antrag Richter. 
20. März. (Berlin.) Zum Präsidenten des Herrenhauses 
an Stelle des verstorbenen Herzogs von Ratibor wird Fürst Otto 
zu Stolberg-Wernigerode gewählt. 
20. März. Reichstagsersatzwahl in Arnsberg-Meschede- 
Olpe. Im Ganzen werden 20,581 Stimmen abgegeben. Von den- 
selben entfallen 15,131 Stimmen auf Chefredakteur Fusangel- 
Bochum (Zentrum) und 4729 Stimmen auf Ober-Rentmeister a. D. 
Böse-Münster (Zentrum), der Rest der Stimmen zersplittert sich. 
(Vgl. 22. Febr.) 
21. März. (Reichstag.) Der Abg. Ahlwardt behauptet, 
daß bei der Errichtung des Reichs-Invalidenfonds sehr verkehrt 
verfahren sei. 
„Aktenmäßig durch Unterschriften von Herren, die noch hier sitzen, 
und von einem Herrn, der jetzt eine hohe Stellung in der Regierung ein-
	        
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