Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 22.—25.) 31
nimmt, ist nachgewiesen, daß bei anderen ähnlichen Dingen Verhandlungen
der schlimmsten Art thatsächlich geführt worden sind. (Große Bewegung
auf allen Seiten des Hauses; Rufe: Namen nennen!) Es ist jetzt nicht mög-
lich, so nahe am Schlusse des Reichstages eine tagelange Debatte anzufangen.
Der Name des jetzigen preußischen Finanzministers ist auch darunter. (Große
Bewegung.) Es wird sich zeigen, daß von diesen Leuten das deutsche Volk
um Hunderte von Millionen betrogen worden ist! Es sitzen hier auf allen
Seiten Freunde des Judentums, die ihr eigenes Volk verraten! (Heiterkeit
und große Unruhe. Rufe: Schluß! Herunter von der Tribünel)
Abg. Ahlwardt sagt ferner: Bei dieser Stelle sprach ich von An-
gehörigen des deutschen Volkes schlechthin. Sie verraten ihr Volk an ein
fremdes Volk, um von der Beute etwas abzubekommen. Ich habe das
weder auf den Fürsten Bismarck noch auf die Regierung bezogen.
Abg. Richter: Ahlwardt hat behauptet, er habe elf Aktenstücke,
darunter einige unterzeichnet vom Finanzminister, welche Verhandlungen der
schlimmsten Art bezeugen. Wir wollen ihn zwingen, diese Behauptungen
zu beweisen, sonst stehen seine Angriffe auf die Finanzverwaltung genau
so da, wie diejenigen auf die Militärverwaltung. (Zustimmung auf allen
Seiten des Hausfes.)
Abg. Ahlwardt: Ich habe nicht von der Finanzverwaltung ge-
sprochen. Die Originalaktenstücke werde ich gleich nach Wiedereröffnung der
Sitzungen auf den Tisch des Hauses niederlegen. (Zwischenruf: Gestohlen!)
Ob sie gestohlen sind oder nicht, kommt nicht in Betracht; sie sind übrigens
ehrlich erworben. Meine Angriffe sind gestern und heute gleich berechtigt
gewesen. (Lachen links.) Ich fürchte den Kampf nicht.
Abg. Rickert (d.-freis.) beantragt die Vertagung der Sitzung und
will, daß man Ahlwardt veranlasse, die Akten schon morgen vorzulegen.
Ein Vorwurf von dieser Schwere dürfe auch nicht 24 Stunden auf den ver-
bündeten Regierungen sitzen bleiben.
Abg. Frhr. v. Manteuffel unterstützt den Antrag im Interesse
der Würde des Hauses und der verbündeten Regierungen.
Das Haus beschließt einstimmig unter großer Erregung dem Antrag
gemäß.
22. März. (Reichstag.) Ahlwardt erklärt einen Teil seiner
Aktenstücke mitgebracht zu haben. Die ganzen Akten wägen über
zwei Zentner und seien bei seinen Freunden verteilt.
Auf Antrag des Grafen Ballestrem wird die Sitzung auf
eine Stunde vertagt und der Senioren-Konvent unter Zuziehung
Ahlwardts beauftragt, die Aktenstücke zu prüfen.
Als Berichterstatter erklärt nach einer Stunde Graf Balle-
strem, daß die Kommission einstimmig zu dem Ergebnis gekommen
sei, die vorgelegten Aktenstücke enthielten nicht das geringste Be-
lastende.
25. März. (Stuttgart: Abgeordnetenkammer.) Der
Etat für den Gesandten in München wird nach längerer Debatte
weiterbewilligt; der Posten in Wien hingegen trotz entschiedener
Befürwortung durch die Regierung mit 43 gegen 35 Stimmen ge-
strichen.