Das Veeische Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 23.— Juli Anf.) 77
die sich wie ein roter Faden durch dieses gesegnete Land zwischen der Elbe
und der Ostsee ziehen. Bei der Aufzählung der Verdienste ihrer Landsleute
komme ich schließlich auf die Fürsten der Neuzeit. Ihr hochseliger Groß-
herzog ist mir immer ein sehr gnädiger Herr gewesen. Ich habe in Krieg
und Frieden seine Mitarbeit an der deutschen Politik beobachten können
und kann ihn als Muster eines deutschen Reichsfürsten anerkennen, der nur
leider zu früh seinem Lande und dem Deutschen Reich entrissen ist. Sein
regierender Herr Sohn hat die Gesinnungen seines Vaters geerbt, leider
nicht seine Gesundheit. In der Zeit, wo ich im französischen Kriege schlechte
Nachtquartiere und schlechte Verpflegung mit ihm zu teilen die Ehre gehabt
habe, da war er immer kerngesund, mobil und kräftig, und ich kann nur
zu Gott wünschen, daß er wieder so werden möge, wie ich ihn damals ge-
kannt habe. Und ich kann Ihnen meinen Dank für Ihre Begrüßung und
meine Gesinnungen für Ihr engeres Heimatland nicht kürzer und besser aus-
drücken, als indem ich Sie bitte, mit mir zusammen ein Hoch auf Ihren
Landesherrn, den Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, auszubringen."“
23. Juni. Kaiser Wilhelm läßt dem Ersten Lord der Ad-
miralität folgendes Beileidstelegramm zugehen:
„Kiel, 23. Juni. Soeben ist Mir die Nachricht von dem Untergange
IJ. M. Schiffes „Viktoria“ mit dem Admiral Sir George Tryon und 400
tapferen Seeleuten zugegangen. Worte können Meinen Kummer über den
Verlust eines so edlen Mannes und eines so schönen Schiffes nicht aus-
drücken. Als Admiral der Flotte bedaure Ich aus tiefstem Herzen den
Schlag, welcher die britische Marine betroffen hat. Es ist ein nationales
Unglück. Meine Offiziere und Meine Seeleute lassen durch Mich ihren
Kameraden in der britischen Flotte ihr wärmstes Beileid ausdrücken. Zum
Zeichen der Trauer habe ich Befehl gegeben, auf Meinen Schiffen die bri-
tische Flagge nebst der Unfrigen auf Halbmast wehen zu lassen.
Wilhelm, Deutscher Kaiser, König von Preußen, Admiral der Flotte."“
3. Juli. (Berlin: Abg.-Haus.) Das Kommunalabgaben-
gesetz wird in der vom Herrenhause beschlossenen Form mit erheb-
licher Mehrheit angenommen. Dagegen stimmen: Zentrum, Polen
und freifinnige Partei.
Dazu wird folgende von den nationalliberalen Abgg. Krause, Ham-
macher und Schmieding unterzeichnete Resolution angenommen:
Die Regierung aufzufordern, womöglich in der nächsten Session dem
Landtage einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die staatliche und kom-
munale Besteuerung der Aktiengesellschaften 2c. unter thunlichster Vermeidung
jeder Doppelbesteuerung neu regelt.
Anf. Juli. In der „Fortnightly Review“ veröffentlicht Mr.
G. W. Smalley den Bericht über eine Unterredung, die er am
17. Mai mit dem Fürsten Bismarck gepflogen habe. Der frühere
Kanzler führte u. a. aus:
„Man braucht nicht mehr Leute: Wenn ein Krieg ausbricht, wird
es zuerst vielleicht drei oder vier Schlachten zu gleicher Zeit auf verschiedenen
Punkten geben. Der Ausgang dieser Schlachten kann den ganzen Feldzug
entscheiden — er muß auf jeden Fall einen großen Einfluß auf die Geschicke
des Krieges ausüben. Jede von ihnen wird etwa mit zweimalhunderttausend
oder aufs höchste mit einer Viertelmillion Menschen auf jeder Seite ge-