Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

84 B#s Ventsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 8.) 
suchen, die Börsensteuer, an der auch allerlei Bemängelungen gemacht waren, 
anders und ergiebiger zu gestalten. (Bravol rechts.) 
Dann wollen wir versuchen, die Steuern, deren wir bedürfen, auf 
die leistungsfähigsten Schultern zu legen, die schwächeren Kräfte zu schonen. 
(Bravol rechts.) 
Und endlich wollen wir angesichts der schwierigen Lage, in der die 
Landwirtschaft sich befindet, danach trachten, das landwirtschaftliche Gewerbe 
von neuen Steuern freizulassen. (Lebhaftes Bravo rechts, Lachen links.) 
Nach diesen Richtungen sind wir vorgegangen. 
Es ist ja begreiflich, daß bei dem komplizierten Mechanismus des 
Reiches und bei der Schwierigkeit des Gegenstandes wir noch nicht in der 
Lage sind, Ihnen jetzt andere Vorlagen zu machen. Es werden noch Mo- 
nate vergehen, bis wir so weit sind, daß ich im Stande wäre, zu sagen: 
Die verbündeten Regierungen haben die und die Absichten. Wir können 
darauf mit der Militärvorlage nicht warten, weil die Zeit uns drängt; 
aber wir können Ihnen die Versicherung geben, daß wir thun werden, was 
wir thun können, um die Sache zu fördern. Wir können uns nicht, und 
ich als Mensch, als Einzelner, als Beamter kann mich nicht über die Pro- 
jekte jetzt äußern; denn ich weiß nicht, was der Bundesrat beschließen wird. 
Ich kann wohl wissen, was ich will; ich weiß, was die Verwaltungen wollen, 
die ich gehört habe; aber ich bin nicht im Stande, im Namen der ver- 
bündeten Regierungen, die jetzt einem Steuervakuum gegenüberstehen — 
denn die alten Vorlagen existieren nicht mehr, weil sie nicht wieder ein- 
gebracht sind —, zu sagen, was sie wollen werden. Da könnten Sie mir 
sagen: Dann sage du uns doch, was du denkst. Aber auch das kann ich 
nicht. Denn wenn ich das sagte, so würde — wir haben ja da die Er- 
fahrung in reichlichstem Maße für uns — bei jedem Wort, bei jedem Sub- 
stantiv, das ich in Bezug auf Steuern als mögliche Quellen nennte, das 
einen Sturm hervorrufen, der die Sache gerade so erschlüge, wie er die 
vorige erschlagen hat. (Bewegung.) Also ich muß mir das versagen. Ich 
kann nur an Ihr Vertrauen appellieren, an Ihren guten Willen und an 
Ihren Glauben an uns. Nur auf diesem Wege können wir mit der Deckungs- 
frage weiter kommen. 
Es sprechen noch Payer, v. Manteuffel, Liebknecht, Stumm, 
Gröber, v. Bennigsen, Böckel, Richter, Rickert. v. Jadzewski gibt 
im Namen der polnischen Fraktion die Erklärung ab, daß diese 
einstimmig für die Vorlage votieren werde. In einer Erwiderung 
gegen Gröber (3.) bemerkt der Kanzler: 
Nicht auf den politischen Teil seiner Rede will ich eingehen; das- 
selbe haben wir oft genug gehört auch von den Bänken der freisinnigen 
Volkspartei, von den Bänken der Sozialisten. Er hat uns nichts Neues 
gesagt; es sind eben demokratische Anschauungen, etwas was mich nicht in 
Erstaunen setzt, seit wir in der Zwischenzeit mit Emphase haben verkünden 
hören, daß die demokratische Richtung im Zentrum zunimmt, und daß man 
in der Umwandlung von einer konfessionell-kirchlichen in eine politisch- 
demokratische Partei begriffen ist. (Hört! hört!) Jawohl, meine Herren, 
ich berufe mich auf einen Bericht der „Kölnischen Volkszeitung“, nicht etwa. 
der „Kölnischen Zeitung", über eine zu Köln im Viktoria-Saale, ich glaube, 
am 28. Mai abgehaltene Versammlung. Also auf einen so demokratischen 
Ton war ich gefaßt. 
8. Juli. (München.) In dem Allgemeinen deutschen Jour-
	        
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