Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (September 6.) 141
zusammen in diesen Kampf hineingehen. Vorwärts mit dem Könige, und
ehrlos, der seinen König im Stiche läßt. In der Hoffnung, daß Ostpreußen
als erste Provinz in der Linie dieses Gefechts stehen wird, erhebe ich mein
Glas und trinke auf das Gedeihen Ostpreußens und seiner Bewohner. Die
Provinz lebe hoch, hoch, hoch!"
Diese Rede wird in der Presse lebhaft besprochen und
mancherlei kommentiert. Im allgemeinen legen die freisinnigen
Blätter den Nachdruck auf die Sätze, welche sich gegen die agrarische
Opposition richten, die weiter rechts stehenden beschäftigen sich mehr
mit dem Aufrufe zum Kampfe gegen den Umsturz.
Die „Freis. Ztg." schreibt: „Die Rede des Kaisers charakterisiert
sich als ein Vertrauensvotum für den Reichskanzler Grafen Caprivi gegen
die Agrarier .. Die besondere Hervorhebung des Adels, seiner Beziehungen
zur Krone und seiner Verpflichtungen für das Gemeinwesen entspricht nicht
den heutzutage thatsächlich obwaltenden Verhältnissen. Die Aufforderung
des „noblesse oblige“ gilt in der Gegenwart für alle diejenigen, welche
irgendwie im Volksleben nach ihrer gesellschaftlichen Stellung und nach
ihren Geisteskräften oder Vermögensverhältnissen Hervorragendes zu leisten
im stande sind. Einen Adel als Stand gibt es heute weder rechtlich noch
thatsächlich mehr.“
„Köln. Ztg.“: „Es ist nicht unbekannt, daß der Kaiser schon seit
geraumer Zeit das Treiben der Agrarier mit großem Mißfallen betrachtet
hat und daß er der Ueberzeugung ist, daß er nicht das Recht habe, das
allgemeine Wohl zu Gunsten eines einzelnen Standes zu schädigen. Wenn
dann der Kaiser den Kampf gegen die Umsturzparteien so stark als wün-
schenswert und nötig betont hat, so hat ihn dabei auch vielleicht die An-
sicht geleitet, daß das Treiben des Bundes der Landwirte durch andauernde
Verhetzung und Erregung von Unzufriedenheit nur dahin wirken kann, der
Sozialdemokratie auch auf solchen Gebieten den Weg zu ebnen, die sich
ihnen bisher verschlossen hatten.“
Die „Post“: „Der Kaiser hat den Ruf zum Kampfe gegen die
Sozialdemokratie ausgegeben. Dieser Aufruf zum Kampfe „für Religion,
für Sitte und Ordnung, gegen die Parteien des Umsturzes“ wird mächtigen
Widerhall erregen, faßt er doch das Gefühl zusammen, das während der
letzten Monate in der Nation immer mehr zum Durchbruch gekommen ist:
Wo noch Ungewißheit und Unsicherheit geherrscht haben mögen, ihnen macht
er ein Ende."
„Schwäbischer Merkur“: „Der Kaiser wollte eine Abrechnung
halten mit einem Stande oder, wie man den gegenwärtigen politischen Ver-
hältnissen gemäß besser sagen wird, einer Partei, die ihm und dem Staate,
den er vertritt, in der letzten Zeit stark zu schaffen gemacht hat: mit den
Konservativen, die sich wesentlich aus jenem Lande rekrutieren, wo der Kaiser
jetzt verweilt.“
Die „Köln. Volkztg.“ hofft, daß von nun an der Bund der Land-
wirte seine maßlose Agitation aufgeben und die konservative Partei ihre
Oppositionsstellung mehr und mehr verlassen werde.
„Deutsche Tageszeitung" (Organ des Bundes der Landwirte):
„Wie werden die treuen Bauern, nicht nur im Osten, sondern allerwärts
jubeln über die wiederholte kaiserliche Zusicherung, daß der Bauernstand
erhalten werden müsse, über die wiederholte kaiserliche Anerkennung, daß
die Landwirtschaft die Säule und Stütze der Monarchie sei! Das Wort
aus dem Munde des Kaisers wird ihm unvergessen bleiben. Wie wohl-